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BUENOS AIRES
Lateinamerika: Der katholische Kontinent
Von dpa-Korrespondent Georg Ismar
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:57 Uhr

Nirgendwo sonst ist die katholische Kirche noch so einflussreich wie in Lateinamerika. Präsident Carlos Menem (1989-1999), Sohn muslimischer Einwanderer, musste zum katholischen Glauben übertreten, denn bis 1994 schrieb die Verfassung vor, dass nur Katholiken in Argentinien Präsident werden können. Woher kommt diese starke Dominanz? Das fängt bei Christoph Kolumbus an und der Kolonialzeit, in der der Protestantismus verboten war.

Die Spanier nutzten bei der Missionierung einen gewissen Hang zum Aberglauben gnadenlos aus. Als die Eingeborenen in den Minen des Silberbergs von Potosi (Bolivien) nicht mehr hart genug arbeiteten, stellten sie in jeder Mine einen Teufel (Tio) auf. Dieser würde sie bestrafen, wenn sie nicht genug Silber aus dem Berg schaffen. Bis heute steht ein Teufel in jeder Mine – und die Arbeiter huldigen ihm mit Kokablättern und Alkohol, damit sie heil wieder rauskommen.

Es sind einzelne Kirchenmänner, die gegen Ausbeutung mobil machen. Der Dominikanermönch Bartholomé de las Casas (1474-1566) ist es, der mit seinem Bericht von der Verwüstung der westindischen Länder einen Beitrag geleistet habe zur Indianerschutzgesetzgebung, schreibt der auf Lateinamerika spezialisierte Politologe Nikolaus Werz. Als Folge der von Spanien und Portugal erzwungenen Christianisierung bildete sich ein Synkretismus heraus, eine Vermischung verschiedener Religionen und Bräuche. So mischt sich bei den Eingeborenen in Bolivien oder Peru der katholische Glaube mit einem Glauben an die Kräfte der Pacha- mama, der Mutter Erde.

Schon in der Kolonialzeit entwickelte sich die Kirche zu einem Machtfaktor. Die Jesuiten wurden Fürsprecher der Armen. Sie errichteten ab 1609 eine Art Jesuitenstaat auf dem Gebiet des heutigen Paraguay, Brasilien und Argentinien, Hunderttausende Indios lebten in den Missionssiedlungen.

Die Jesuiten gingen auf ihre Lebensgewohnheiten ein und lernten ihre Sprache – sie versuchten nicht wie andere Missionare die tradierten Gewohnheiten auszurotten. Hier konnten die Eingeborenen in Sicherheit vor Ausbeutung leben. Doch die Spanier misstrauten den Siedlungen. 1767 wurden die Jesuiten aus Südamerika verbannt.

Im 20. Jahrhundert wurde die Befreiungstheologie weltweit zu einem Begriff. Das führte zu harten Konflikten mit der Amtskirche in Rom. Es war eine vor allem politische Stoßrichtung: Es ging um die Überwindung ungerechter Strukturen. 1968 setzte sich auch die Generalversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe für eine stärkere Hinwendung zur Gesellschaft ein, das Konzept einer „vorrangigen Option für die Armen“ gewann unter Priestern und Bischöfen immer mehr Fürsprecher. Der Erzbischof von Santiago de Chile, Kardinal Silva Henríquez, zog sich den Zorn von Diktator Augusto Pinochet zu, weil er zum Menschenrechtsanwalt wurde. Der den Militärs in El Salvador kritisch gegenüberstehende Erzbischof Óscar Arnulfo Romero wurde 1980 ermordet.

Zum Problem für die Kirche wird seit einiger Zeit der Einfluss der Freikirchen und Sekten, die in ländlichen Regionen stark an Einfluss gewinnen, teilweise sollen sie schon auf Anteile von über 20 Prozent kommen. Gerade deshalb könnte der Papst aus Buenos Aires den katholischen Einfluss auf dem Kontinent wieder stärken.

 
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