Seit Ende März schweigen im Kurdenkonflikt die Waffen. Noch nie seit Beginn der Kämpfe vor 29 Jahren waren die Aussichten auf einen Frieden so greifbar wie jetzt. Das könnte Hunderttausenden Kurden, die in den vergangenen Jahrzehnten zu Flüchtlingen im eigenen Land wurden, eine Rückkehr ermöglichen – wäre da nicht das tödliche Erbe des Krieges.
Vergangenen Mittwoch in der Ostprovinz Agri am Fuß des Berges Ararat: Bei einer Patrouille treten zwei türkische Soldaten auf eine Landmine. Schwer verletzt werden sie mit Hubschraubern in Krankenhäuser geflogen. Aber jede Hilfe kommt zu spät. „Eigentlich sollten in dieser Gegend alle Minen geräumt sein“, erklärte Provinzgouverneur Ahmet Pek, „aber manchmal übersieht man welche bei der Räumung.“
Erbe des Kurdenkonflikts
Tausende Menschen sind in den vergangenen Jahrzehnten in der Ost- und Südosttürkei durch Minen verletzt oder getötet worden. Die Gefahr wird jetzt umso größer, als die Waffenruhe im Kurdenkonflikt Gebiete wieder zugänglich macht, die bisher für Zivilisten gesperrt waren.
Seit Beginn des bewaffneten Kampfes der kurdischen PKK für einen eigenen Kurdenstaat im Sommer 1984 wurde mehr als eine Million Kurden zu Flüchtlingen. Teils flohen sie vor den Kämpfen, die vielen Bauern die Lebensgrundlage nahmen, teils wurden sie von der Armee aus ihren Dörfern vertrieben. Die Soldaten entvölkerten und zerstörten viele Ortschaften, um den PKK-Kämpfern Unterschlupfmöglichkeiten zu nehmen. Die kurdischen Dorfbewohner zogen in die Städte, wo viele von ihnen in Elendsquartieren leben. Zwar unterzeichnete die Türkei 2004 den Ottawa-Vertrag über das Verbot von Anti-Personen-Minen. Knapp 2,9 Millionen gelagerte Minen wurden bis Ende 2011 zerstört. Aber rund eine weitere Million liegen noch im Boden.