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DAMASKUS
Kritik an Luftangriffen in Syrien
Martin Gehlen
 |  aktualisiert: 05.10.2014 19:34 Uhr

Jahrelang haben die Assad-Gegner um US-Luftangriffe geradezu gebettelt. Keiner von ihnen jedoch hätte sich träumen lassen, dass es einmal so kommen könnte, wie jetzt am Himmel über Syrien. US-Kampfjets attackieren Fahrzeuge und Stellungen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Diktator Baschar al-Assad dagegen, der den blutigen Bürgerkrieg mit mehr als 200 000 Toten angezettelt hat, muss nichts befürchten und behält freie Hand. Und so nutzen seine Truppen momentan die neue Kampflage, um erneut gegen Aleppo vorzurücken und die wichtigste Nachschubverbindung der moderaten Rebellen mit der Türkei in ihre Gewalt zu bringen.

„Riskant und kontraproduktiv“, lautet das Urteil der Assad-Gegner im Norden Syriens über das Vorgehen der USA und ihrer fünf arabischen Mitstreiter. „Das Leiden der Zivilbevölkerung wird nur vergrößert“, kritisierte Raed Salah, Chef des Zivilschutzes in der Provinz Idlib, die weitgehend von der „Freien Syrischen Armee“ kontrolliert wird. Allein 15 Zivilisten seien bei einem Angriff von US-Jets auf das Dorf Kafar Daryan gestorben, obwohl es dort keine IS-Kämpfer gebe. In der Ortschaft Manbij seien mehrere Kornsilos zerstört worden, von denen die Versorgung der Hälfte der Bewohner von Idlib abhänge. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen klagen, Benzin sei unerschwinglich geworden, seit die alliierten Flugzeuge die primitiven Raffinerien des „Islamischen Staates“ in der Region Deir Ezzor unter Feuer nehmen.

„Obama als Handlanger Assads“

Aus den Rebellengebieten gibt es bereits erste Protestvideos im Internet. Menschen verbrennen amerikanische Flaggen und skandieren „Obama ist ein Handlanger von Baschar, dem Terroristen“. Gleichzeitig sind Vertreter der Opposition überzeugt, dass die USA ihre Angriffe mit dem Assad-Regime abstimmen. „In der Nacht bombt uns Amerika, am Tag bombt uns das Regime – es sieht so aus, als gäbe es eine Art Koordination“, argwöhnte Yasir Al-Sayeed, Mitglied im Stadtrat von Idlib.

Die blutrünstigen IS-Brigaden haben sich jedenfalls rasch auf die neuen Luftgegner eingestellt. Sie räumten ihre Hauptquartiere, versteckten ihre Geschütze, fahren nicht mehr in großen Kolonnen, operieren vor allem nachts und ziehen schwarze Flaggen über Wohnhäusern auf, um die Raketen auf die Zivilbevölkerung zu lenken. „Luftangriffe können die Dschihadisten nicht besiegen, sie sind für IS höchstens wie ein Kitzeln“, urteilte Hussam Al-Marie, FSA-Sprecher in Nordsyrien dem Internetblog „The Daily Beast“. IS sei kein richtiger Staat, den man angreifen könne. IS, das seien Verbrecher, die verstreut in ganz Ostsyrien und den Wüstengebieten operierten.

Genugtuung in Damaskus

Und so klagen die US-Bomberpiloten, dass es immer schwieriger wird, Ziele auf dem Boden eindeutig auszumachen. Den angreifenden Jets fehlen Kampfbeobachter vor Ort, die das Feuer in die Stellungen von IS lenken könnten. In mindestens einem Fall wurde in der Region Idlib sogar irrtümlich eine FSA-Stellung bombardiert, bei der mehrere Kämpfer ums Leben kamen. „Wenn die Luftschläge in dieser Art weitergehen, wird höchstwahrscheinlich das Assad-Regime profitieren“, prognostiziert Shadi Hamid, Wissenschaftler an der Brookings Institution in Washington.

Deren Vertreter in Damaskus machen dann auch keinen Hehl aus ihrer Genugtuung. Am Wochenende zeigte sich Assad erstmals seit Monaten wieder öffentlich beim Gebet zum Opferfest in der Numan bin Bashir Moschee. Und sein Außenminister Walid Al-Muallem ließ gönnerisch erklären, es sei „in Ordnung“, wenn die USA und ihre Partner seine Regierung nicht über jeden einzelnen Luftangriff informierten. „Wir kämpfen gegen den IS, sie kämpfen gegen den IS“, fügte er genüsslich hinzu.

 
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