Bleibt beim Thema Sterbehilfe nach jahrelangen intensiven Debatten und erbitterten Auseinandersetzungen am Ende alles beim Alten? Wenige Tage vor der am Freitag stattfindenden Abstimmung im Bundestag wird in Berlin nicht ausgeschlossen, dass weder das Lager derer, die ein Verbot der kommerziellen Sterbehilfevereine erreichen wollen, noch diejenigen, die Ärzten bei der Beihilfe vom Suizid generell Straffreiheit gewähren wollen, eine Mehrheit im Parlament finden.
Zur Abstimmung stehen vier Gesetzentwürfe, doch ein kompliziertes mehrstufiges Verfahren könnte zur Folge haben, dass kein einziger die notwendige Anzahl an Stimmen erhält. In diesem Falle würde sich an der gegenwärtigen Rechtslage, wonach Beihilfe zum Suizid keine Strafverfolgung nach sich zieht, nichts ändern.
Darauf zielt auch ein Konsensantrag der Grünen-Abgeordneten Katja Keul, die die Abgeordneten auffordert, alle vier zur Abstimmung stehenden Gesetzentwürfe abzulehnen, damit die aktuelle Rechtslage fortbestehen kann. „Unsere Gesetze reichen aus“, sagt die rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion aus Niedersachsen, auch wünsche sich eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung, dass sich an der aktuellen Rechtslage nichts ändere.
Beihilfe zum Suizid
„Große Teile des Bundestags haben sich von diesem Willen aber völlig abgekoppelt.“ Sie verweist zudem darauf, dass der wissenschaftliche Dienst des Bundestags ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die vorgeschlagenen Straftatbestände bestätigt habe. Schon jetzt sei Tötung auf Verlangen strafbar, Beihilfe zum Suizid hingegen nicht, die Vorschriften im Arzneimittel- und Betäubungsmittelgesetz hätten bisher schon verhindert, „dass organisierte Sterbehilfe in Deutschland zu einem Massenphänomen geworden ist“.
Die fraktionsübergreifende Gruppe um die Abgeordneten Michael Brand (CDU), Kerstin Griese (SPD), Harald Terpe (Grüne) und Halina Wawzyniak (Linke), die ein Verbot kommerzieller Sterbehilfevereine fordert und nach dem gegenwärtigen Stand rund 250 Abgeordnete hinter sich hat, erhielt am Dienstag weitere prominente Unterstützer.
Nach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) schlossen sich auch die drei Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU), Thomas Oppermann (SPD) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) ihr an und warben um Zustimmung. Es bestehe die „große Gefahr, dass das geschäftsmäßige Angebot von Sterbehilfe insbesondere alte und kranke Menschen, die anderen nicht zur Last fallen wollen, unter Druck setzt, ihr Leben mit fremder Hilfe frühzeitig zu beenden“, schrieben die drei Fraktionschefs in einem gemeinsamen Brief an alle Abgeordneten. „Unsere Gesellschaft würde ein falsches Signal setzen, wenn wir solche Angebote weiterhin zulassen oder gar staatlich regulieren.“
Michael Brand und Kerstin Griese begrüßten die Unterstützung für ihren Antrag. Dies zeige, dass ihr Entwurf „ausgewogen“ sei. Den Vorwurf, er kriminalisiere Ärzte, wiesen sie zurück. Man habe vielmehr eine „chirurgisch präzise Regelung“ gefunden, um gegen gewerbsmäßige Sterbehilfe-Organisationen vorgehen zu können, ohne in das intime Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient einzugreifen. Ziel sei es, dem „Geschäft mit dem Tod“ das Handwerk zu legen. Sollte es keine Neuregelung geben, würden die Sterbehilfe-Vereine erst richtig loslegen.
Recht auf Sterben in Würde
Im Gegenzug gaben die Verfechter einer liberaleren Regelung am Dienstag bekannt, sich bei der Abstimmung am Freitag gegenseitig zu unterstützen, um in jedem Falle eine Verschärfung zu verhindern. Die bislang konkurrierenden Gruppen um Peter Hintze (CDU) und Renate Künast (Grüne) warnten bei einem gemeinsamen Auftritt vor dem Entwurf der Gruppe Brand/Griese, da er die Ärzte kriminalisiere und das Recht des Menschen auf ein Sterben in Würde verletze. „Nicht die Staatsanwälte gehören ans Sterbebett, sondern die Angehörigen und die Ärzte“, sagte Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU).