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BERLIN
Kommt der „Soli“-Abbau oder nicht?
GERMANY-POLITICS-PARLIAMENT       -  Für den Grünen-Finanzexperten Jürgen Trittin – hier mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag im Bundestag – gibt es bei den Themen Steuern und Finanzen noch viel Klärungsbedarf.
Foto: JOHN MACDOUGALL, afp | Für den Grünen-Finanzexperten Jürgen Trittin – hier mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag im Bundestag – gibt es bei den Themen Steuern und Finanzen noch viel Klärungsbedarf.
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 05.11.2017 02:57 Uhr

In der Nacht, unmittelbar nach Abschluss der Sondierungsgespräche, war die Euphorie der Koalitionäre in spe noch groß. „Zwischenergebnisse heute – das KÖNNTE eine finanzpolitische Trendwende werden“, verkündete FDP-Chef Christian Lindner kurz vor Mitternacht auf „Twitter“ und veröffentlichte dazu als Beleg ein Foto, das den „Sondierungsstand“ der Unterhändler von CDU, CSU, FDP und Grünen zum Themenkomplex Finanzen, Haushalt, Steuern auflistete. Die „schwarze Null“ sei beschlossene Sache, der Abbau des „Soli“ ebenso. Ähnlich begeistert zeigte sich auch CDU-Generalsekretär Peter Tauber. „Ein langer Sondierungsabend – der sich gelohnt hat: Wollen ausgeglichenen Haushalt und Entlastungen/Investitionen.“ Die künftigen Koalitionäre hätten sich bei einem grundlegenden Thema „verständigt“.

Tatsächlich? Nach einer kurzen Nacht klang das Ganze am Mittwoch schon wieder völlig anders. Von einer Einigung könne überhaupt keine Rede sein, sagte der frühere Grünen-Fraktionschef und Finanzexperte Jürgen Trittin, weder seien der ausgeglichene Haushalt noch der Abbau des Solidaritätszuschlags bereits endgültig beschlossen. Man habe sich erst einmal nur darauf verständigt, zunächst festzustellen, wie viel Geld in den kommenden vier Jahren zur Verfügung stehe. Erst wenn das klar sei, könne man sich darüber unterhalten, wie man einen „möglichst ausgeglichenen Haushalt“ hinbekomme. Insofern sei lediglich „ein Rahmen“ für weitere Gespräche abgesteckt worden – man habe aber noch „keine dicken Brocken aus dem Weg geräumt“. Alleine die komplette Abschaffung des „Soli“ würde pro Jahr Mindereinnahmen von 21 Milliarden Euro verursachen, „das ist halt nicht drin“.

Dieser Interpretation Trittins schloss sich auch Grünen-Parteichef Cem Özdemir an. Die schwarze Null und die gleichzeitige Abschaffung des Soli seien nicht vereinbar. Gemeinsames Ziel von Union, FDP und Grünen sei der ausgeglichene Haushalt, mit dem Wegfall des Soli „wäre dieses Ziel für uns nicht mehr zu erreichen“. Auch eine gezielte Entlastung der unteren und mittleren Einkommen sei dann nicht möglich.

Union wie FDP verwiesen dagegen auf das gemeinsam verfasste Papier, in dem sich alle vier Parteien zum „Abbau des Solidaritätszuschlags“ bekannt hätten. Allerdings ist in dem Papier weder von einem Datum noch von einem Zeitplan die Rede. Zudem heißt es vieldeutig: Man wolle einen ausgeglichenen Haushalt und keine Substanzsteuern einführen. „Die unter diesen Vorgaben bestehenden finanziellen Spielräume wollen die Gesprächspartner unter Überprüfung der bisherigen mittelfristigen Finanzplanung gemeinsam erarbeiten. Auf Basis dieser Spielräume sollen Entlastungsmaßnahmen und Investitionsbedarfe bestimmt und in ihrem Verhältnis zueinander konkretisiert werden.“ Diese beiden Sätze lassen viel Raum für Interpretationen.

Bei ihrem Sondierungsgespräch fassten die Delegationen sieben „steuerliche Entlastungsmaßnahmen“ ins Auge:

• Entlastung von Familien mit Kindern sowie von Bezieherinnen und Beziehern unterer und mittlerer Einkommen • Abbau des Soli • Förderung der energetischen Gebäudesanierung • Förderung des Mietwohnungsbaus einschließlich der Umwandlung landwirtschaftlicher Flächen • Verbesserungen bei der degressiven AfA (Abschreibung für Abnutzung) • Einführung einer steuerlichen Forschungs- und Entwicklungsförderung • Abbau von Subventionen, vor allem von solchen, die den Klimazielen widersprechen

Den Investitionsbedarf wolle man in den einzelnen Arbeitsgruppen ermitteln „und aufeinander abstimmen“, heißt es abschließend.

Union und FDP hatten sich schon im Wahlkampf für den Abbau des Soli ausgesprochen, allerdings wollte die CDU ihn in zehn Schritten bis zum Jahr 2030 abschmelzen. Die FDP verweist dagegen auf ein Gutachten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), wonach der Soli in drei Schritten bis zum Jahr 2020 abgebaut werden könnte.

In einem ersten Schritt sollten zunächst die Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen von diesem Zuschlag befreit werden, in einem zweiten Schritt sollte er für die Bezieher höherer Einkommen von 5,5 auf 2,5 Prozent sinken, ehe er im dritten Schritt komplett entfällt. Dadurch würden gerade die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen sofort und spürbar entlastet.

 
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