Gestern noch war in den Medien von einer drohenden Rezession (also einem negativen Wirtschaftswachstum) die Rede - und heute gibt es Schlagzeilen über einen Milliardenüberschuss für den deutschen Staat. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen nahmen im ersten Halbjahr zusammen rund 45,3 Milliarden Euro mehr ein, als sie ausgaben. Das klingt nach einem Steuer-Jackpot für Deutschland und rückt die Sorge über einen Wirtschaftsabschwung ein wenig in den Hintergrund. Tatsächlich aber ist die Gefahr überhaupt nicht gebannt.
Die aktuellen Zahlen führen in die Irre. Sie werden so verkauft oder suggerieren zumindest, dass es sich hier um eine Leistung der Regierung handelt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz und die anderen Mitglieder des Kabinetts können für das Steuerplus aber nur wenig bis gar nichts, schon gar nicht wurden die Überschüsse „erwirtschaftet“. Es sind die Bürgerinnen und Bürger, die mit ihren Steuern und ihren Sozialbeiträgen das Geld in die Kasse spülen.
Chance zur Entlastung
Einen großen Anteil an der Steuereinnahmen haben die sogenannten indirekten Steuern, zu denen die Umsatzsteuer sowie Abgaben auf Tabak, Branntwein, Kaffee oder Strom zählen. Hier wird den Verbrauchern täglich das Geld aus der Tasche gezogen, ohne dass sie es direkt mitbekommen. Und hier wäre auch eine Chance, das Volk zu entlasten. Statt beispielsweise die Energiesteuern immer weiter steigen zu lassen, könnte eine Absenkung dafür sorgen, dass flächendeckend mehr Geld für privaten Konsum und private Investitionen zur Verfügung stünden. Diesen Effekt hätte auch eine Senkung der Mehrwertsteuer - zumal deren Anhebung von 16 auf 19 Prozent in 2007 ohnehin mit dem politischen Versprechen verbunden war, sie bei guter Kassenlage wieder abzusenken. Was aber bekanntlich nie passierte.
Steuersenkungen wären dringend nötig. Nach Zahlen der Konsumforschungsgesellschaft GfK geben die Menschen aus Angst vor einer Rezession und damit einhergehender Furcht vor Kurzarbeit oder Jobverlust schon seit einiger Zeit weniger Geld aus. Was wiederum zu weniger Wachstum und geringeren Steuereinnahmen führt. Das ist der Eintritt in einen Teufelskreis, den zu durchbrechen sich die Bundesregierung derzeit nicht traut. Statt Steuern wirkungsvoll zu senken, wird der Soli nur für 90 Prozent der Zahler abgeschafft. Die SPD redet gar der Vermögenssteuer das Wort.
Ungebremst in den Abgrund
So rennt die Bundesregierung derzeit ungebremst in den Konjunkturabgrund. Dabei wäre es ein leichtes, über niedrigere Verbrauchersteuern zumindest den Versuch zu unternehmen, der Konjunkturflaute zu begegnen. Was allerdings damit verbunden wäre, dass es eine Zeitlang keine Jubelmeldungen über Milliardenüberschüsse geben würde, da sich der Effekt von Steuersenkungen immer erst später einstellt. Für die Politik wäre das schlecht, gerade vor anstehenden Wahlen. Es wäre aber ein Stückweit ehrlicher.