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Kohl lässt Beschwerde fallen
„Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle“: Der Autor Heribert Schwan am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung des umstrittenen Buches.
Foto: Britta Pedersen, dpa | „Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle“: Der Autor Heribert Schwan am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung des umstrittenen Buches.
reda
 |  aktualisiert: 11.12.2019 15:00 Uhr

Heribert Schwan hat vorgesorgt. Die Abschriften der Gespräche, die er vor mehr als zwölf Jahren mit Helmut Kohl geführt hat, lagern sicher verwahrt bei Freunden und Notaren, teilweise hat er sie sogar ins Ausland geschafft, um seinen Schatz vor dem Zugriff des Altkanzlers zu schützen: „Kein Gerichtsvollzieher wird sich der Dateien jemals bemächtigen.“

Bis Freitag war es ein Kampf mit ungewissem Ausgang, den er da geführt hat, und einer mit einem großen Gegner: Helmut Kohl, der Kanzler der Einheit und des Euro, hatte mit gerichtlicher Hilfe versucht, Schwans neues Buch vom Markt nehmen zu lassen, ein Destillat ihrer Gespräche, das Kohl in einem wenig vorteilhaften Licht zeigt: verbittert, rachsüchtig, beleidigend. Doch nach Ansicht der Richter war Kohls Beschwerde zu allgemein gefasst. So habe er das ganze Buch verbieten wollen, anstatt konkrete Passagen zu benennen. Eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes sei nicht festzustellen. Mittlerweile hat der Altkanzler seine Beschwerde beim Landgericht Köln zwar zurückgezogen – mit dem Mann, dem er so lange vertraute, aber verbindet ihn schon lange nichts mehr.

Mehr als 600 Stunden in Kohls Hobbykeller

Als Schwan ihm um die Jahrtausendwende herum den Vorschlag macht, als Ghostwriter seine Memoiren zu schreiben, ist das Verhältnis der beiden nicht allzu eng, aber ausbaubar. Obwohl der promovierte Historiker Schwan für den WDR arbeitet, den Kohl als „Rotfunk“ verhöhnt, hat er mit einem ersten Buch über ihn dessen Sympathie gewonnen. Schwan selbst sagt über sich gerne, er sei „sozialliberal bis auf die Knochen.“ Den Reiz, an einer monumentalen Kanzlerbiografie mitzuarbeiten, mindert das jedoch nicht. Er ist es auch, der sich früh schon auf die Suche nach einem Verlag für das mehrbändige Werk macht.

Mehr als 600 Stunden erzählt Kohl ihm in einem improvisierten Tonstudio im Hobbykeller seines Oggersheimer Bungalows zwischen März 2001 und Oktober 2002 aus seinem Leben – gezielte Bosheiten über Richard von Weizsäcker, Rita Süßmuth oder Norbert Blüm inklusive. Zusammengerechnet, bilanziert Schwan in seinem Buch, „haben wir uns beinahe einen Monat lang rund um die Uhr unterhalten.“ Während er den Altkanzler siezt, duzt Kohl ihn, nennt ihn kumpelhaft seinen „Volksschriftsteller“ und klammert auch Privates und Privatestes wie den Selbstmord seiner Frau Hannelore nicht aus. Kein Journalist ist Kohl jemals näher genommen, Kai Diekmann vielleicht ausgenommen, der nicht nur Chefredakteur der „Bild“-Zeitung ist, sondern auch der Trauzeuge bei Kohls zweiter Hochzeit. Schwan ist ein Mann vom Fach, der bereits mehrere Biografien geschrieben hat und für seine TV-Dokumentationen mehrfach ausgezeichnet wurde. Mit Maike Kohl-Richter aber, die sich „ebenso urplötzlich wie ahnungslos“ in seine Arbeit einmischt, kommt er vom ersten Tag an nicht zurecht. Sogar ihre schiere Anwesenheit wird mit der Zeit zum Problem: „Während wir arbeiteten, kraulte sie dem Altkanzler immer wieder das schütter gewordene Haupthaar.“

Die Neue, vor allem, macht der 69-Jährige für den Bruch mit Kohl verantwortlich, der ihn dazu angespornt hat, den offiziellen Kanzlermemoiren erst eine Biografie über Hannelore Kohl und nun auch noch ein sehr persönliches und provozierendes Buch über den Altkanzler selbst folgen zu lassen, gespickt mit all jenen Bosheiten, die Kohl ihm über andere erzählt hat. Den Vorwurf, er begehe damit einen Vertrauensbruch, lässt Schwan jedoch nicht gelten: Er habe nie eine Erklärung unterschrieben, die ihn zur Verschwiegenheit verpflichte, sagt er.

Als im März Kohls Anwälte mit einem Gerichtsvollzieher vor seiner Tür stehen, um ihm die Bänder mit den Interviews abzunehmen, rückt Schwan diese zwar heraus und bezahlt auch 625 Euro Vollstreckungsgebühr. Weil er die Mitschriften, die seine Schwester angefertigt hat, an sicheren Orten weiß, nimmt er die Sache aber nicht allzu tragisch. So viel wie der Gerichtsbeamte an jenem Morgen, spottet er, „kostet nicht einmal meine Saisonkarte für die Heimspiele des 1. FC Köln.“

 
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