Der Gesetzentwurf ist in aller Eile gestrickt worden – und das sieht man ihm auch an. Auf den 90 Seiten, mit denen die Bundesregierung die träge deutsche Asylbürokratie effizienter organisieren will, fehlten gestern noch jede Menge Umlaute, Großbuchstaben und Zahlen. An Deutlichkeit allerdings lässt der Text gleichwohl nichts zu wünschen übrig. Unter dem Kapitel „Alternativen“ steht nur ein Wort: „Keine.“
Drei Wochen nach der umstrittenen Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Tausende von Flüchtlingen aus Ungarn ungehindert in die Bundesrepublik einreisen zu lassen, zieht das Kabinett jetzt die Notbremse. Mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz, das die Ministerrunde jetzt auf den Weg durch die parlamentarischen Instanzen schickt, sollen die Verfahren gestrafft, Länder und Gemeinden finanziell besser unterstützt, Taschengelder durch Sachleistungen ersetzt und Abschiebungen deutlich forciert werden.
Dazu werden nach Bosnien, Mazedonien und Serbien nun auch Albanien, das Kosovo und Montenegro als sichere Herkunftsländer eingestuft. In den Ländern des westlichen Balkans gebe es weder politische Verfolgung noch würden Menschen unmenschlich oder erniedrigend behandelt, heißt es in dem Gesetzentwurf, der unserer Redaktion vorliegt. Außerdem soll abgelehnten Asylbewerbern der Termin einer bevorstehenden Abschiebung in Zukunft nicht mehr mitgeteilt werden, „um die Gefahr des Untertauchens zu verringern“.
Aus humanitären Gründen kann eine Behörde eine „Rückführung“ nur noch für maximal drei Monate aussetzen und nicht mehr für ein halbes Jahr.
So schnell wie die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels in der vergangenen Woche werden aus politischen Kompromissen selten Gesetzesentwürfe. „Unser Zeitplan ist ehrgeizig, aber machbar“, sagt die SPD-Innenexpertin Gabriele Fograscher. Die Diskussion jedoch, ob Deutschland durch die hohen Flüchtlingszahlen „nur“ herausgefordert wird oder womöglich schon überfordert ist, reißt deswegen nicht ab. Im Gegenteil: Vor allem in der CDU rumort es. An der Basis, sagt der Abgeordnete Klaus-Peter Willsch, sei „die Euphorie längst nicht so groß wie an der Parteispitze und im Kanzleramt“. Die stellvertretende Parteivorsitzende Julia Klöckner, die im nächsten Jahr Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz werden will, geht ebenfalls etwas auf Distanz zu ihrer langjährigen Mentorin Angela Merkel und ihrer Rhetorik des Wir-schaffen-das-schon. Über Belastungsgrenzen, verlangt die 42-Jährige, müsse jetzt offen gesprochen werden. „Integration ist keine Einbahnstraße.“ Die Leistungskürzungen für muslimische Fanatiker und andere Intergrationsverweigerer, die sie fordert, finden sich im Gesetzentwurf der Bundesregierung allerdings nicht.
Ereignisse wie in Kassel, wo am Sonntagabend eine Massenschlägerei in einem Flüchtlingslager ein gutes Dutzend Verletzte forderte, beobachten die zuständigen Ressorts gleichwohl mit wachsender Sorge. Auch auf Helfer, etwa vom THW, habe es schon gewalttätige Übergriffe gegeben, betont ein Sprecher von Innenminister Thomas de Maiziere. So weit wie die Gewerkschaft der Polizei will in der Koalition jedoch niemand gehen. Deren stellvertretender Vorsitzender Jörg Radek plädiert in der Zeitung „Die Welt“ dafür, Christen und Muslimen in den Unterkünften zu trennen: „Wenn da 4000 Menschen in einem Heim sind, das eigentlich nur 750 Plätze hat, dann führt diese Enge zu Aggressionen, wo selbst eine Winzigkeit wie der Gang zur Toilette zu einer Handgreiflichkeit führt.“ Weil sich einzelne Gruppen schnell solidarisierten, käme es vermehrt zu Massenschlägereien. „Da reicht es nicht, wenn wir einen Streifenwagen hinschicken, da sind dann bis zu 21 Wagen im Einsatz.“
Nach den Plänen von Union und SPD sollen die neuen, strengeren Regeln für Asylbewerber schon Anfang November in Kraft treten. Um die vielen ehrenamtlichen Helfer zu entlasten, finanziert der Bund in einem zweiten Schritt dann auch noch 10 000 zusätzliche Stellen beim Bundesfreiwilligendienst (Bufdi). Auf sie können sich auch Flüchtlinge bewerben, zum Beispiel als Dolmetscher. Wichtigste Voraussetzung: „Eine gute Bleibeperspektive.“