Gib du mir, so geb ich dir: Nach diesem Prinzip haben Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel einige noch offene Reformvorhaben geklärt. Die Sozialdemokraten setzten sich dabei mit ihrer alten Forderung nach einer Besserstellung von Zeit- und Leiharbeitern durch, die Union bekommt ihren Wunsch erfüllt, Anreize für Menschen zu schaffen, die über das Rentenalter hinaus arbeiten oder sich als Rentner etwas dazuverdienen wollen. Die wichtigsten Beschlüsse der Koalition im Überblick:
Eine Million Zeit- und Leiharbeiter in Deutschland sind vom kommenden Jahr an besser vor Lohndumping geschützt. Nach neun Monaten muss ein Zeitarbeiter dann den gleichen Lohn wie ein Kollege aus der Stammbelegschaft erhalten, außerdem dürfen Leiharbeiter von einigen per Tarifvertrag geregelten Ausnahmen abgesehen nicht mehr länger als 18 Monate in einem Betrieb beschäftigt werden. Ferner dürfen sie nicht mehr als Streikbrecher missbraucht werden, wie es die Post im vergangenen Jahr getan hat. Die Leiharbeit werde so wieder auf ihre eigentliche Funktion reduziert, heißt es in einem internen Papier der Koalition, das dieser Redaktion vorliegt. „Sie wird Unternehmen auch zukünftig die nötige Flexibilität für Auftragsspitzen oder Vertretungen bieten, aber nicht weiter als Instrument zur Verdrängung der Stammbelegschaft dienen.“
Obwohl die Wirtschaft heftig protestiert, verschärft Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in einigen Punkten die Regeln für sogenannte Werkverträge, mit denen Unternehmen Arbeiten wie das Warten der EDV, die Gebäudereinigung, die Besetzung der Pförtnerloge oder den Betrieb der Kantine an fremde Firmen auslagern.
Damit solche Verträge nicht mehr genutzt werden, um Leiharbeit zu verschleiern und in Tarifverträgen vereinbarte Standards zu umgehen, will die Koalition nun eine Reihe von juristischen Lücken schließen und Bußgelder für Verstöße festlegen. Außerdem muss der Betriebsrat in Zukunft über Werkverträge informiert werden.
Wer heute schon mit 63 Jahren in die sogenannte Teilrente geht und mehr als 450 Euro im Monat dazuverdient, wird mit teilweise drastischen Abschlägen bei der Rente bestraft. Nun will die Große Koalition unter anderem die Freibeträge für die Dazuverdiener anheben. Künftig soll es überdies möglich sein, die Teilrente stufenlos zu wählen und nicht nur wie bisher zwischen einer Zwei-Drittel-, einer halben oder einer Ein-Drittel-Rente.
Betrieben, die Mitarbeiter über das Rentenalter hinaus beschäftigen, erlässt der Staat den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung. Umgekehrt können Beschäftigte freiwillig weiter in die Rentenkasse einzahlen und ihre spätere Rente um bis zu sechs Prozent pro Jahr aufbessern. Der CDU-Experte Karl Schiewerling formuliert es so: „Wir setzen ein Zeichen, dass sich längeres Arbeiten lohnt.“
Bei der Reform der Erbschaftssteuer läuft Union und SPD allmählich die Zeit davon. Bis zum 1. Juli muss die Bundesregierung nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes eine Regelung gefunden haben, die Firmenerben nicht so stark begünstigt wie die gegenwärtige.
CSU-Chef Horst Seehofer strebt eine parteiübergreifende Rentenreform in einem Gesamtpaket möglichst bis
zur Bundestagswahl an. „Das wird noch eine sehr edle Aufgabe in den nächsten Monaten für alle Beteiligten“, sagte Seehofer am Mittwoch. Niemandem sei bei diesem Thema „gedient mit wöchentlichen Vorschlägen“, sagte der bayerische Ministerpräsident. Vielmehr müsse es ein Gesamtkonzept geben, bei dem an vielen Stellschrauben gedreht werde. Dabei gehe es unter anderem um die Frage, wie sich der Steuerzahler beteiligen müsse.
Es sei „aus übergeordneten Gründen“ nicht schlecht, wenn sich die Politik nun gemeinsam dem Rententhema zuwende. „Ich kann es nicht versprechen, aber man sollte es mal versuchen“, sagte Seehofer. Es sei aber nicht klar, ob es bis zur Bundestagswahl tatsächlich eine verabschiedete Rentenreform gebe.