Widerlich, verstörend, unbegreiflich, was am späten Abend des 14. Juli auf der Strandpromenade von Nizza geschehen ist. Wieder ist Frankreich zum Ziel eines (oder mehrerer?) Terroristen geworden. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich weder der Islamische Staat (IS) noch eine andere Terrororganisation dazu bekennt: Was bitte soll das anderes sein als Terror, wenn ein Mann einen schweren Lastwagen in eine feiernde Menschenmenge steuert?
Empörung, Trauer, Solidaritätsbekundungen. Nach jedem der zwölf Terroranschläge in der EU seit Juli 2012 sind das die verständlichen, durchaus richtigen Reaktionen von Politikern und der breiten Öffentlichkeit in den westlichen Staaten, die sich selbst als Teil einer Wertegemeinschaft verstehen. Sieben dieser Anschläge trafen Frankreich. Unsere Solidarität und unser Mitgefühl können unseren Freunden jenseits des Rheins helfen, auch diese neue, unglaublich brutale Attacke auf fröhliche Familien mit Kindern zu verarbeiten.
„Wir werden den Terror besiegen“, versprach Frankreichs sichtlich geschockter Staatspräsident François Hollande am Freitag seinen Landsleuten. „Wir werden den Kampf gegen den Terror gewinnen“, sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nur wie gelingt dieser Sieg gegen den Terrorismus? Mit Luftschlägen, Bomben und Raketen auf den IS ist es nicht getan, ebenso wenig mit Geheimdienstinformationen. Die lückenlose Überwachung im Inneren ist so wenig erfolgversprechend wie die völlige Abschottung nach außen möglich ist. Obendrein alles andere als erstrebenswert.
Es wird ein langer, ein harter Kampf gegen den Terror. Er wird sich auch auf militärische Mittel stützen müssen, gewinnen aber kann man ihn nur mit den Werten unserer Wertegemeinschaft. Mit Menschlichkeit gegenüber Armen, mit Hilfe für Länder in Not. Denn Armut, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit sind der Nährboden, aus dem der Terrorismus täglich neue Kraft saugt. Von Afghanistan über den Irak, Syrien, Jordanien und Ägypten bis in die Staaten des Maghreb. Auch Schwarzafrika und einige Länder Asiens sind gemeint.
Im Kampf gegen den Terror können wir nur gewinnen, wenn es gelingt, diese und andere Länder zu stabilisieren. Fangen wir endlich damit an, schon aus eigenem Interesse. Fangen wir bei uns an und hinterfragen die Art, wie wir leben. Machen wir Ernst mit dem Klimaschutz. Klimaschutz gegen den Terror? Ja, ohne Klimaschutz wird der Kampf gegen den Terror scheitern.
Die Folgen des Klimawandels für uns, unseren Wald, unsere Landwirtschaft und unseren Weinbau waren Thema einer Klimakonferenz in Würzburg. Namhafte Experten erläuterten, was wir in Bayern unternehmen, um Feldfrüchte und Reben künftig bewässern zu können. Wie wir forschen, um unseren Wald mit neuen Bäumen gegen Trockenstress zu wappnen. Welche Erkenntnisse wir haben, unsere Ställe so zu bauen und zu belüften, dass Tiere die Hitze kommender Jahre gesund überleben können.
„Der Klimawandel beeinflusst ganz erheblich den Wasserhaushalt sowie die Lebens- und Produktionsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft“, hieß es in der Einladung von Landwirtschaftsminister Helmut Brunner. Einverstanden. Nur gelten Brunners Worte in weit höherem Maße für die Menschen, die nicht in den klimatisch gemäßigten Breiten unseres Planeten leben dürfen wie wir. Sondern dort leben müssen, wo Wasser nicht einfach aus der Leitung fließt, und schon heute ein ganz rares und wertvolles Gut ist. Wo das Land versteppt. Wo Wüsten sich ausbreiten. Wo die andauernde Hitze das Leben erschwert oder unmöglich macht. Wo der steigende Meeresspiegel über kurz oder lang fruchtbares Ackerland überfluten und versalzen wird.
„Wir sind mittendrin im Klimawandel“, machte der auf vielen Fernsehkanälen präsente Physikprofessor Harald Lesch seinen Zuhörern in Würzburg klar. Längst sind Prozesse in Gang gesetzt – in der Erdatmosphäre, in den Meeren –, die allein den Naturgesetzen folgen. Prozesse, die wir Menschen in den entwickelten westlichen Industrieländern in Gang gesetzt haben, indem wir begannen, Kohle, Erdöl und Erdgas zu verbrennen, um das Wachstum unserer Wirtschaft anzukurbeln und unseren Wohlstand zu mehren.
Unser Wachstum, unseren Wohlstand, das muss an dieser Stelle wiederholt werden.
Die, die noch heute im Eselskarren auf ihre Felder fahren oder zu Fuß gehen, haben von unserem Verbrauch fossiler Brennstoffe nicht oder nur in geringem Maß profitiert. Wohl aber müssen sie mit den Folgen „unseres“ Klimawandels leben – mit sinkenden Grundwasserspiegeln, dem Versiegen von Brunnen, abnehmenden Ernteerträgen und immer häufiger mit Sand- und Staubstürmen.
„Diese Effekte (des Klimawandels) werden Stressfaktoren erhöhen, wie Armut, Umweltzerstörung, politische Instabilität, soziale Spannungen – Bedingungen, die terroristische Aktivitäten und andere Formen der Gewalt begünstigen.“ Diese Einschätzung stammt nicht etwa vom Weltklimarat IPCC oder Umweltschützern, sondern ist einem Report des US-Verteidigungsministeriums namens „Quadrennial Defense Review 2014“ entnommen.
Der Klimawandel als Motor des Terrorismus? Auch Ulrich Wagner, Professor am Zentrum für Konfliktforschung der Uni Marburg, hält den Zusammenhang für „hochwahrscheinlich“. Terrorismus, sagte der Psychologe im Gespräch mit der „Huffington Post“, werde vom „Eindruck massiver Benachteiligung“ und „mangelndem politischen Einfluss“ begünstigt. Außerdem könnten „ideologische Systeme“ zur Rechtfertigung von Terrorismus herangezogen werden.
„Wir müssen sparsamer werden“, beschwor Physikprofessor Lesch seine Zuhörer in Würzburg und meinte nicht etwa den Umgang mit Entwicklungshilfe, sondern den Verzicht auf ständiges Wirtschaftswachstum, verbunden mit hohen Emissionen klimaschädlicher Gase. „Jetzt wird's still im Saal“, schob der Professor gleich hinterher. Lesch weiß, dass es niemand gerne hört, wenn man ihm die Leviten liest.