zurück
BERLIN
Klage über teure Medikamente
Debatte über Arzneipreise: Eine Apothekerin sortiert auf diesem Symbolfoto Schachteln in ein Regal.
Foto: dpa | Debatte über Arzneipreise: Eine Apothekerin sortiert auf diesem Symbolfoto Schachteln in ein Regal.
Von unserer Mitarbeiterin SARAH RITSCHEL
 |  aktualisiert: 12.09.2013 20:19 Uhr

Die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland zahlen zu viel Geld für Medikamente. 3,7 Milliarden Euro im Jahr könnten dem neuen Arzneiversorgungs-Report (AVR) zufolge gespart werden, ohne dass Patienten schlechter versorgt würden. Am teuersten sind laut dem Bericht, der in Berlin vorgestellt wurde, sogenannte Analogpräparate. Diese wirken kaum anders als etablierte Medikamente, sind aber patentgeschützt und damit zum Teil weitaus teurer. Mehrkosten für die Kassen: 2,5 Milliarden Euro im Jahr 2012.

Dass die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Vergleich zum Vorjahr trotzdem nur „relativ moderat“ um 2,6 Prozent angestiegen sind, liegt dem Heidelberger Pharmakologen Ulrich Schwabe zufolge nicht zuletzt am Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts. Schwabe, einer von zwei Herausgebern des Reports, sieht dank des Gesetzes einen „Trend zu niedrigeren Preisen“ auf dem Patentmarkt. Seit 2010 können die Pharmaunternehmen für ihre Produkte nicht mehr so viel verlangen, wie sie möchten. Erst muss geprüft werden, ob ein neues Medikament Patienten wirklich besser hilft als ein bereits bekanntes. An diesem Zusatznutzen orientiert sich der Verkaufspreis.

48 Präparate, zum Beispiel gegen Diabetes, seien bislang auf diese Weise geprüft worden. Die Einsparungen für die Kassen schätzt Schwabe auf 120 Millionen Euro. Dennoch „reicht das bei Weitem nicht aus, um das im Gesetz angestrebte Einsparziel von zwei Milliarden Euro zu realisieren“.

Denn patentierte Medikamente sind dem AVR nach in Deutschland immer noch zu teuer. Um das zu beweisen, vergleichen die Autoren den deutschen Patentmarkt jedes Jahr mit dem eines anderen EU-Landes. Diesmal war es Frankreich, ebenfalls eine Nation mit vergleichsweise hohen Arzneimittelpreisen. Das ernüchternde Ergebnis: Die Kassen würden immer noch 1,2 Milliarden Euro sparen, wenn die Preise hierzulande französisches Niveau hätten. Selbst wenn man die Unterschiede bei der Mehrwertsteuer berücksichtigt, sind Medikamente in Deutschland dem Report zufolge neun Prozent teurer als in Frankreich. Die Pharmaindustrie weist das zurück: Sie unterstellt den Herausgebern methodische Mängel und schiefe Vergleiche.

Dabei ist der AVR lange etabliert: Seit 1985 analysiert Ulrich Schwabe zusammen mit dem Sozialwissenschaftler Dieter Paffrath die Rezepte, die gesetzlich Versicherte in Deutschland von ihrem Arzt ausgestellt bekommen. 2012 verschrieben die Vertragsärzte insgesamt 716 Millionen Medikamente. Für ihre Erhebung rechnen die beiden Autoren des Arzneiverordnungsreports mit den Nettopreisen der Medikamente: Der Rabatt von 16 Prozent, den deutsche Krankenkassen laut Gesetz von den Herstellern erhalten, ist dabei schon abgezogen. Das Rabattabkommen läuft darüber hinaus nur noch bis Ende 2013. Danach rechnen die AVR-Herausgeber allein deshalb mit 1,3 Milliarden an Mehrausgaben für die deutschen Krankenkassen.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Gesetzliche Krankenkassen
Krankenkassen in Deutschland
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen