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FRANKFURT
Kirchen fordern eine dienende Rolle des Geldes
dpa
 |  aktualisiert: 28.02.2014 19:35 Uhr

. „Das ist ein großes Ding, das wir da anstoßen“, sagte Nikolaus Schneider. Nichts weniger als eine „grundlegende gesellschaftliche Transformation“ forderte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Freitag in Frankfurt am Main, als er gemeinsam mit dem Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, das neue Sozialwort der beiden großen Kirchen vorstellte. Vor 17 Jahren hatten EKD und Bischofskonferenz sich erstmals in einem gemeinsamen Papier zur Wirtschafts- und Sozialpolitik geäußert. Das viel beachtete Sozialwort erteilte neoliberalen Tendenzen eine Absage und betonte die vorrangige Option für die Armen. Nun folgt die sogenannte Sozialinitiative.

„Gewinnmaximierung um jeden Preis“ dürfe niemals eine „moralisch akzeptierte Handlungsmaxime sein“, lautet eine der Kernaussagen: „Insbesondere die Finanzmärkte müssen sich wieder in Richtung einer dienenden Rolle wandeln.“ Ziel des Vorstoßes sei nicht ein unmittelbarer Einfluss auf die Arbeit der Großen Koalition, stellten Zollitsch und Schneider klar. Breiten Raum nimmt in dem Papier mit dem Titel „Gemeinsame Verantwortung für eine gerechte Gesellschaft“ die Aufarbeitung der jüngsten Finanzmarkt- und Währungskrisen ein. Dabei kommen die Kirchen zu dem Schluss, dass nur eine „verantwortlich gestaltete Marktwirtschaft“ geeignet sei, „den Wohlstand hervorzubringen, der erforderlich ist, um für alle Menschen ein Leben in Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit zu ermöglichen“. Nicht die kurzfristige Steigerung der Aktienkurse, sondern der nachhaltige Unternehmenserfolg müsse Maßstab für die Bewertung von Unternehmen und die Entlohnung der Manager sein. Mit Blick auf die Staatsverschuldung warnen die Kirchen vor sozialen Verwerfungen in EU-Krisenländern. Zur Konsolidierung der Staatsfinanzen wird auch empfohlen, Steuerbetrug entschieden zu bekämpfen. Für den Arbeitsmarkt wird gefordert, dass sich prekäre Beschäftigungsverhältnisse nicht verfestigen, geringfügige Beschäftigung und Werkverträge nicht missbraucht werden, um den Arbeitskräftebedarf kostengünstig zu decken.

Erste Reaktionen aus der Politik auf das Papier fielen verhalten aus. Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und die Vorsitzende des Sozialausschusses im Bundestag, Kerstin Griese, (beide SPD) erklärten für den Arbeitskreis der Christinnen und Christen in der SPD, sie hätten sich „klarere Worte und zukunftsweisendere Überlegungen gewünscht“. Die „Option für die Schwachen in der Gesellschaft“, die gerade auch von Papst Franziskus immer wieder beschworen wird, wirkt nach Auffassung der SPD-Christen „merkwürdig schwach“.

Noch deutlicher wurde der katholische Sozialethiker Friedhelm Hengsbach: Papst Franziskus habe diejenigen in den Blick genommen, die am Rande stünden, wie prekär Beschäftigte oder alte Menschen in Armut. Dagegen sei das kirchliche Sozialwort „weich gespült“.

Lob kam dagegen vom Bundesvorsitzenden des CDU-Sozialflügels CDA, Karl-Josef Laumann. Das Kirchenpapier bestärke den christlich-sozialen Flügel: „Auch wir wissen, dass Wirtschaft den Menschen dienen muss.“

Die Weltwirtschaftsordnung verändern

Nach Ansicht des Theologen Friedrich Schorlemmer sollten die Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft auf die Weltwirtschaftsordnung übertragen werden. Statt nur Umsatz zu machen, gälte es, auf ein ökologisch verantwortliches und sozial gerechteres Weltwirtschaftssystem hinzuwirken, sagte der ehemalige DDR-Bürgerrechtler. Deregulierung nähre grenzenlose Gier. Was man weltweit freien Kapital- und Finanzmarkt nenne, sei ein äußerst fragiles System. Nahezu alles werde zum potenziellen Spekulationsobjekt gemacht – selbst Wasser und Nahrungsmittel. Soziale Marktwirtschaft müsse auf globales Wirtschaftsgefüge transformiert werden, damit das, was bisher eher Weltwirtschaftsunordnung ist, zu einer fairen Weltwirtschaftsordnung führe, die das Lebensinteresse und das Glücksverlangen aller respektiere. Hinter der menschlichen Gier stecke ein elementares Glücksverlangen. Gier sei eine unverzichtbare Antriebskraft. Ohne Neugier keine Lebendigkeit, kein Fortschritt. Aber Gier als vorrangiger Antrieb werde zur selbstzerstörerischen Sucht, zur asozialen Seuche. „Wir zerstören, wonach wir uns sehnen, wenn wir giergetrieben leben.“ Text: epd

 
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