Auf diesen Satz hat ganz Belgien gehofft: „Eine elektronische Fußfessel wird Herrn Dutroux nicht gewährt“, wies das Brüsseler Strafberufungsgericht am Montag den Antrag des mehrfachen Kindesmörders auf vorzeitige Haftentlassung ab. Es fand sich niemand, der glauben wollte, dass Marc Dutroux (56) sich in den Jahren seiner Haft seit 2004 verändert haben könnte. Nicht einmal seine Mutter.
Zum ersten Mal äußerte sich Jeannine Dutroux (78) am Montag öffentlich über ihren Sohn: „Ich bin sicher, dass er wieder beginnen würde zu töten“, erklärte sie in dem Interview der belgischen Tageszeitung „Le Soir Magazine“. Zuvor hatten sein Anwalt sowie mehrere Gutachter der Bitte um vorzeitige Haftentlassung widersprochen. Daran ist der Mann, der Ende der 1990er Jahre sechs Kinder entführt, wochenlang wie Tiere in Käfige eingesperrt, vergewaltigt und vier von ihnen ermordet hatte, nicht ganz unschuldig. Bis heute hat er sich nicht von seinen Taten distanziert oder Reue gezeigt.
Die ohnehin aufgewühlte belgische Öffentlichkeit musste stattdessen erfahren, dass der Häftling, der in einem Gefängnis rund 25 Kilometer südlich von Brüssel einsitzt, inzwischen zu einem reichen Mann geworden ist. Er handelt nämlich offenbar überaus erfolgreich an der Börse. Sein Sohn dient ihm als verlängerter Arm, mit dem er mehrmals am Tage telefoniert. Die Erlöse aus den Geschäften wandern jedoch ausnahmslos auf das Konto des jungen Dutroux, so dass der Kindesmörder bis heute keinen Cent an Entschädigung oder Schmerzensgeld an die beiden überlebenden Opfer und die Angehörigen der ermordeten Mädchen gezahlt hat. Gleiches soll im Übrigen auch für seine frühere Ehefrau und Mittäterin Michelle Martin (53) gelten, die im Sommer vergangenen Jahres frühzeitig entlassen wurde und nun in einem Kloster bei Namur lebt. Auch sie habe durch diverse Geschäfte ein kleines Vermögen angehäuft, es jedoch so angelegt, dass die Ansprüche der Geschädigten nicht befriedigt werden können, heißt es in Brüssel.
Viele Rätsel sind ungelöst
Inzwischen hat das belgische Parlament unter dem Eindruck der Freilassungsgesuche ein neues Gesetz verabschiedet, das allerdings nicht rückwirkend gilt. Demnach müssen bei einer 30-jährigen Haftstrafe zunächst 23 (bisher 15) Jahre vergehen, bevor eine vorzeitige Entlassung beantragt werden kann. Im Falle Dutroux hätte aber auch dieses Gesetz vermutlich kaum helfen können. Denn die Richter hatten 2004 verfügt, dass der Mann auch nach Ablauf seiner Haft noch mindestens zehn Jahre in Sicherungsverwahrung gehalten werden muss.
Zur Ruhe wird Belgien deshalb nicht kommen. Noch immer sind zu viele Rätsel um die grausamen Taten ungelöst. Im Vorfeld der damaligen Verhandlungen verschwanden Beweisstücke. Andere wurden gar nicht berücksichtigt. Mehr als 20 Zeugen starben auf mysteriöse Weise. Inzwischen neigen immer mehr Menschen dazu, Dutroux wenigstens in einem Punkt zu glauben: Er habe die Taten wohl alleine begangen, aber er sei eben auch Helfer und „Lieferant“ eines pädophilen Netzwerkes gewesen, dem er regelrecht Opfer zugeführt habe. Entsprechende Spekulationen sind zwar nicht neu, wurden aber bisher von den Sicherheitsbehörden nie wirklich geprüft. Stattdessen gingen die staatlichen Ermittler sehr viel häufiger gegen Journalisten und Buchautoren vor, die entsprechende Indizien aufgegriffen und recherchiert hatten.