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PARIS
Kerviel geht seinem Urteil entgegen
Jérôme Kerviel
Foto: B. Guay, afp | Jérôme Kerviel
Birgit Holzer
 |  aktualisiert: 18.03.2014 19:48 Uhr

Jérôme Kerviel ist zurzeit unterwegs, irgendwo zwischen Norditalien und Paris. Auch an diesem Mittwoch, wenn das oberste französische Berufungsgericht sein Urteil fällt, das Kerviels letzte Chance sein könnte, die monströse Strafe noch von ihm abzuwenden. Er wird einfach weitergehen, auch wenn die Richter den Schuldspruch und die Strafe aus erster und zweiter Instanz definitiv bestätigen sollten, gegen die er Einspruch eingelegt hat: fünf Jahre Haft, davon zwei auf Bewährung, wegen Vertrauensmissbrauchs, Einbruchs in ein Informationssystem, Fälschung und Benutzung von Fälschungen – und eine Schadensersatz-Zahlung von 4,9 Milliarden Euro an seinen früheren Arbeitgeber, die Société Générale. So hoch war der Verlust durch seine unerlaubten Spekulationen, die die französische Großbank Anfang 2009 an den Rand des Ruins brachten.

Kurz nach Ausbruch der Finanzkrise war Kerviel, der „Skandal-Zocker“, in den Augen der Öffentlichkeit zur Verkörperung der realitätsfernen Exzesse der Finanzbranche geworden: Ohne Genehmigung hatte er Handelspositionen im Wert von bis zu 49 Milliarden Euro eingesetzt. Seinen zahlreichen Fans wiederum gilt der aus einfachen Verhältnissen stammende Ex-Trader als Opfer eines pervertierten Systems. Als kleiner Sündenbock für so große Fehler, dass er sie gar nicht eigenmächtig begangen haben kann.

Mitte Februar war es dem 37-Jährigen gelungen, gemeinsam mit seinem Anwalt bei einer Generalaudienz von Papst Franziskus einige Worte mit diesem zu wechseln und sich dabei fotografieren zu lassen. Seither geht er als geläuterter Christ einen umgekehrten Pilgerweg von Rom nach Paris, seinem Urteil entgegen. „Seit sechs Jahren habe ich kein Leben mehr und jetzt entdecke ich es neu“, sagt der junge Mann mit dem verschlossenen Gesicht in die Fernsehkameras, der nun Vollbart trägt und Sportkleidung statt Anzügen.

Seine eigene Realitätsferne und Mitverantwortung für den Riesen-Verlust der Société Générale hat Kerviel eingeräumt, der Mails fälschte, um Scheingeschäfte zu verschleiern. Aber er habe sich nie persönlich bereichert, gehörte nicht einmal zu den bestbezahlten Händlern. In seinem Buch beschreibt er das verrückte Klima in der Bank, wo ihn seine Vorgesetzten zu Wagnissen anfeuerten, solange sie fette Gewinne einbrachten.

Auch einige Politiker unterstützen ihn, wie die ehemalige Untersuchungsrichterin und Präsidentschaftskandidatin der Grünen, Eva Joly: Die Richter hätten „allein Kerviel verurteilt, ohne die Affäre um die Société Générale dahinter zu sehen“. Tatsächlich gilt deren angebliches Nichtwissen als umstritten. Staatsanwalt Yves Le Baut hatte hingegen erklärt, ein nachlässiges Opfer sei nicht zugleich ein einwilligendes Opfer. Im Zuge des Skandals mussten mehrere Topmanager gehen, darunter Bankchef Daniel Bouton; wegen Kontrollmängel musste die Bank eine Geldbuße in Höhe von vier Millionen Euro zahlen.

Für ihr Image ist es aber entscheidend, dass Kerviel die Alleinschuld zugesprochen und neben der Haftstrafe zur kompletten Erstattung der 4,91 Milliarden Euro verurteilt wird – obwohl sie 2010 vom Fiskus 1,7 Milliarden zurückbekam. So illusorisch es ist, dass er sie jemals zurückzahlen kann.

 
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