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Keine „Zuckerl“ mehr für kritische Journalisten
AUSTRIA-EU-POLITICS-SECURITY       -  Der österreichische Innenminister Herbert Kickl, hier bei einer EU-Konferenz zur Sicherheit.
Foto: Hans Punz, afp | Der österreichische Innenminister Herbert Kickl, hier bei einer EU-Konferenz zur Sicherheit.
Mariele Schulze-Berndt
 |  aktualisiert: 11.12.2019 21:39 Uhr

Wie weit darf der Versuch der Politik gehen, die Berichterstattung der Medien im eigenen Sinne zu lenken? Diese Frage wird derzeit in Österreich heiß diskutiert. Denn das Innenministerium (BMI) unter dem rechtspopulistischen Minister Herbert Kickl (FPÖ) will kritische Medien vom Informationsfluss ausschließen.

Das geht aus einer vierseitigen, als geheim eingestuften E-Mail des Innenministeriums an die Landespolizeibehörden hervor. Darin empfiehlt der Ministeriumssprecher, die Kommunikation mit bestimmten Zeitungen „auf das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken“. Denn in den Tageszeitungen „Standard“ und „Kurier“ sowie der Wochenzeitung „Falter“ werde „eine sehr einseitige und negative Berichterstattung über das BMI bzw. die Polizei betrieben“. Ihnen sollten „nicht noch Zuckerl wie beispielsweise Exklusivbegleitungen“ ermöglicht werden.

Bundeskanzler Sebastian Kurz kritisierte das Vorhaben seines Koalitionspartners aus New York, wo er an der UN-Vollversammlung teilnimmt. Es dürfe keine Ausgrenzung bestimmter Medien durch Kommunikationsabteilungen geben. „Für einen freien und unabhängigen Journalismus im Land tragen besonders Parteien und Regierungsinstitutionen sowie öffentliche Einrichtungen eine hohe Verantwortung. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel“, so Kurz. Er halte es grundsätzlich für richtig, dass das Innenministerium eine neue Kommunikationsrichtlinie erarbeite, aber: „Die Ausgrenzung oder der Boykott von ausgewählten Medien darf in Österreich nicht stattfinden. Das gilt für die Kommunikationsverantwortlichen aller Ministerien und öffentlichen Einrichtungen.“

In seinem Kanzleramt hatte direkt nach der Regierungsübernahme im Sommer 2017 eine starke Kommunikationsabteilung ziemlich erfolgreich damit begonnen, die Kontrolle über die Nachrichten und Botschaften zu gewinnen, die über die Regierungsarbeit an die Öffentlichkeit dringen. Die Ministerien müssen die eigene Pressearbeit mit dem Kanzleramt abstimmen.

Die Oppositionspolitikerin Beate Meinl-Reisinger von den liberalen NEOS stellte einen Zusammenhang zwischen dem Umgang mit Kickls Informationssperre und der Politik des Kanzleramtes her. Sie fordert ebenso wie andere Oppositionspolitiker die Ablösung von Kickl als Innenminister.

Kickl ist derzeit wegen einer rechtlich nicht gedeckten Razzia im Verfassungsschutz bereits unter Druck. Deswegen wurde ein Untersuchungsausschuss eingesetzt.

Kickl selbst tauchte ab und äußerte sich nicht zu dem als geheim eingestuften Schreiben des Pressesprechers. Dessen Vorgesetzter, der Leiter der Präsidialabteilung im Innenministerium, Karl Hutter, dementierte die Absicht einer Informationssperre. Minister Kickl habe davon nichts gewusst.

Es gehe lediglich um „Anregungen“, um einen einheitlichen Auftritt der Polizeibehörden zu schaffen. Der Autor hatte auch gefordert, Presseanfragen allgemeiner Art an ihn zu schicken. „Hier werden wir auch gerne gegeneinander ausgespielt“, heißt es in dem Schreiben.

Darin sind auch Empfehlungen zum Umgang mit Verdächtigen enthalten. Die Staatsbürgerschaft und der Asylstatus sollten ausdrücklich genannt werden. Aktiv verstärkt publizieren soll die Polizei Sexualdelikte, vor allem Gewalttaten, die „in der Öffentlichkeit begangen werden“ oder „wenn zwischen Tätern und Opfer keine Verbindungen bestehen“. Tatsächlich werden die meisten Sexualdelikte allerdings im privaten Umfeld begangen.

Positiv bewertete der Autor aus dem Innenministerium die Berichterstattung des Privatsenders ATV mit einer 2019 anlaufenden neuen Fernsehserie „Live PD“. „Jede Folge wird erst abgenommen und geht erst nach Abnahme auf Sendung“, so die Aussage des Sprechers, die vom Sender zurückgewiesen wird.

 
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