Einen Tag und eine Nacht hatten die französischen Rettungskräfte in der Sahara nach der vom Radarschirm verschwundenen algerischen Verkehrsmaschine gesucht. Am Freitagmorgen erhielten die Suchtrupps traurige Gewissheit: Sie fanden die Trümmer des Air-Algérie-Jets, in dem sich 118 Menschen – darunter 54 Franzosen und vier Deutsche – befanden, im nordafrikanischen Wüstenstaat Mali, etwa 50 Kilometer von der Grenze zum Nachbarland Burkina Faso entfernt.
„Es gab keine Überlebenden“, teilte Frankreichs Staatspräsident François Hollande mit. Französischen Soldaten, die mit Hubschraubern zum Unglücksort gelangten, sei es gelungen, den Flugschreiber sicherzustellen. Von der Auswertung der „Black Box“ erhoffen sich die Experten Klarheit über die Absturzursache.
Schwerer Sturm in der Nacht
Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve sagte, der erste Eindruck sei, dass die Passagiermaschine „zerstört wurde, als sie auf den Boden prallte“. Vieles deute auf einen Unfall hin. Zuvor war spekuliert worden, dass auch ein Bombenattentat oder eine Boden-Luft-Rakete die Tragödie verursacht haben könnte. „Wir glauben, dass das Flugzeug aus Gründen abstürzte, die mit den Wetterbedingungen zu tun haben.“ Über Mali tobte in der Nacht ein schwerer Sturm, weswegen die Piloten kurz vor dem Absturz den Kurs änderten.
Frankreichs Armee, die im Konfliktstaat Mali stationiert ist, hatte seit Donnerstagmorgen, als der Funkkontakt mit dem Flugzeug abbrach, mit Aufklärungsmaschinen und Drohnen nach der Maschine gesucht. Nachdem Wüstenbewohner berichteten, dass sie ein abstürzendes Flugzeug gesichtet hatten, konzentrierte sich die Suche auf die Umgebung der Oasenstadt Gossi in der nördlichen Hälfte Malis, wo die Wrackteile gefunden wurden. Am Ort bot sich den Rettern ein Bild des Grauens: „Wir fanden menschliche Überreste und ausgebrannte Wrackteile“, berichtete ein Kommandeur der Armee des Nachbarstaates Burkina Faso, die ebenfalls Soldaten zur Unglücksstelle schickte.
In der zweistrahligen Air-Algérie-Maschine vom Typ McDonnell-Douglas MD83 befanden sich 118 Menschen: 112 Passagiere und sechs Besatzungsmitglieder. Am Vortag war noch von 119 Flugzeuginsassen berichtet worden. Mehr als die Hälfte der Passagiere sind Europäer: Darunter 54 Franzosen, vier Deutsche, zwei Luxemburger und ein Schweizer. Bei den vier Deutschen handelt es sich um eine Entwicklungshelferin und ihre Familie. Die Frau war für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Burkina Faso tätig. Das sagte ein GIZ-Sprecher am Freitag. „Wir sind tief betroffen von diesem tragischen Verlust. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen“, hieß es in einer Erklärung.
Die übrigen Opfer stammen vor allem aus Burkina Faso und anderen afrikanischen Ländern. Die sechs Besatzungsmitglieder sind Spanier. Air Algérie hatte die 18 Jahre alte Maschine von der spanischen Gesellschaft Swiftair gemietet. Der Flug war am Donnerstagmorgen kurz nach ein Uhr nachts in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, gestartet und sollte nach rund vier Stunden in der algerischen Hauptstadt Algier eintreffen. Etwa 50 Minuten nach dem Abheben brach der Kontakt ab, wenig später verschwand der Jet von den Radarschirmen. Nach französischen Angaben befand sich die Maschine in „gutem Zustand“: Die 18 Jahre alte MD83 sei erst wenige Tage vor der Katastrophe in Marseille in Südfrankreich überprüft worden, erklärte ein Sprecher der französischen Luftfahrtbehörde.
Psychologische Betreuung
Das Absturzgebiet im Norden Malis gehört zu jener Tuareg-Unruheregion, in der Frankreichs Armee im vergangenen Jahr gegen radikale Islamisten vorging, die dort einen Gottesstaat ausgerufen hatten. Inzwischen konnten die Extremisten, zu denen auch Gruppen aus dem Umfeld der Terrorbewegung „Al Kaida im islamischen Maghreb“ (AQMI) gehören, zurückgedrängt werden.
Am Freitag berief Hollande einen Krisenstab mit mehreren Ministern ein. „Wir haben auf dem Herzen, die ganze Wahrheit herauszufinden, tun unser Möglichstes, den Familien alle Informationen zu geben und versichern ihnen die Solidarität des ganzen Landes“, erklärte der französische Staatschef. An mehreren französischen Flughäfen, wo viele der Passagiere nach einem Umstieg in Algier hätten landen sollen, wurden Krisenzentren mit psychologischer Betreuung für die Hinterbliebenen eingerichtet. Medien zufolge saßen teils komplette Familien in der Unglücksmaschine. Am heutigen Samstag werden rund 200 Angehörige der Opfer im Außenministerium empfangen.
Als wahrscheinlichste Absturzursache gilt das Wetter. „Die Wetterbedingungen waren extrem schlecht, aber ist das der Hauptgrund? Gab es ein technisches Problem, das vielleicht noch hinzukam?“, fragte Verkehrsstaatssekretär Frédéric Cuvillier. Air France erklärte, bis auf weiteres als Vorkehrung die fragliche Zone nicht mehr zu überfliegen. Beim Absturz der Maschine der Air Algérie handelt es sich um den dritten in nur einer Woche (lesen Sie dazu die graue Infobox).
Mali ist ein geteiltes Land: Der wüstenartige Norden wird traditionell eher von den Tuareg-Nomaden kontrolliert, während sich die Macht der malischen Regierung in der Hauptstadt Bamako vor allem auf den südlichen Landesteil beschränkt. Mit Informationen von dpa
Schwarze Woche in der Luftfahrt
Innerhalb weniger Tage sind im internationalen Luftverkehr drei Flugzeuge verunglückt. Ein Überblick: Flug MH17: Beim Absturz beziehungsweise mutmaßlichen Abschuss einer Boeing 777-200 der Malaysia Airlines, die von Amsterdam nach Kuala Lumpur unterwegs war, kommen am 17. Juli in der Ostukraine 298 Menschen ums Leben, darunter 193 aus den Niederlanden, 43 malaysische Staatsbürger (darunter die 15 Besatzungsmitglieder) sowie vier Deutsche. Flug GE222: Nach der Bruchlandung eines Regionalverkehrsflugzeugs vom Typ ATR 72 der taiwanesischen Airline Transasia am 23. Juli in Taiwan sterben mindestens 48 Menschen. An Bord der Maschine, die in Kaohsiung im Süden des Landes startete, waren 58 Menschen. Das Flugzeug stürzt bei Sturm in ein Dorf in der Nähe seines Zielflughafens Magong auf Penghu. Flug AH5017: Eine McDonnell Douglas MD83 der algerischen Fluggesellschaft Air Algérie mit 116 Menschen an Bord stürzt am 24. Juli über Mali ab. An Bord der Maschine, die auf dem Weg von Ouagadougou (Burkina Faso) in Algeriens Hauptstadt Algier war, waren auch vier Deutsche. Text: dpa