Sie waren extra früh aufgestanden. Schon um 6.30 Uhr sollten ihre Freunde und Verwandten mit dem Flug MH370 aus Kuala Lumpur am Flughafen in Peking landen. Aber die Boeing B777-200 kam nie in Chinas Hauptstadt an. Stunden später warten die Angehörigen verzweifelt auf Neuigkeiten in einem Hotel. „Mein Sohn war erst 40 – ich wäre gerne für ihn gestorben“, sagt eine ältere Frau. Aus dem Raum, in dem die Verwandten warten, schallt verzweifeltes Weinen.
China droht eine nationale Tragödie. Von den 239 Menschen in dem Flug der malaysischen Fluggesellschaft sollen mehr als 150 chinesische Staatsbürger sein. Deutsche standen nicht auf der Passagierliste. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping kündigt eine umfassende Hilfsaktion an. Alle zuständigen Ministerien und Rettungskräfte würden alarmiert, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua mitteilt. Die Ungewissheit zerrt an den Nerven. Ein junges Paar sitzt in dem Hotel auf einer Treppe auf dem Boden. Sie halten sich an den Händen und weinen. Das Hotel hat einen Raum für die Angehörigen reserviert. Viele sitzen wortlos auf Stühlen. Andere laufen durch die Gegend. Die Behörden haben Psychologen organisiert, die sich um die Menschen kümmern. Sie laufen zwischen den Angehörigen umher, hören sich ihre Geschichten an und verteilen Beruhigungsmittel. „Ich hatte mehrere Freunde in dem Flugzeug“, sagt ein Mann.
„Mein Ehemann war in dem Flugzeug, und wir haben eine kleine Tochter zu Hause. Sie kann doch nicht ohne ihren Vater aufwachsen“, sagt eine Frau unter Tränen. Um sie herum warteten alle Angehörigen auf Informationen. Kein Mitarbeiter von Malaysia Airlines habe mit ihnen gesprochen, sagte die Frau.
Ölspuren im Meer
Viele Angehörige fühlen sich hilflos, bei einigen wächst Wut: „Ich warte hier seit Stunden und es gibt keinen Verantwortlichen, der sich kümmert“, sagt eine junge Frau. Dutzende Fotografen, Kameraleute und Printjournalisten stürmen plötzlich in einen Nebenraum des Gebäudes. Dort liest ein Mann ein kurzes Statement der Airline vor, das die Fluggesellschaft in ähnlicher Form im Internet veröffentlicht hatte. Die Journalisten erfahren auch nicht mehr.
Trotz intensiver Suche mit Flugzeugen und Schiffen fehlt von der vor Vietnam verschwundenen Maschine mit 239 Menschen an Bord weiter jede Spur. Schiffe hätten zwar die Region vor der Südspitze Vietnams erreicht, in der Suchflugzeuge am Samstag Ölspuren gesichtet hatten, sagte der stellvertretende vietnamesische Transportminister Pham Quy Tieu. „Die Ölspuren zu finden ist aber schwierig, weil das Gebiet so groß ist“, sagte er. „Wir haben bislang absolut nichts gefunden“, sagte der Vize-Chef der malaysischen Behörde für Zivilluftfahrt, Azhaddin Abdul Rahman, am Sonntag. Auch einen Terroranschlag schließen die Ermittler nicht aus, sagte Rahman. Der Verdacht kam auf, weil offenbar mindestens zwei Passagiere ihre Flugtickets mit gestohlenen Pässen gekauft hatten. Ein Italiener und ein Österreicher, deren Namen auf der Passagierliste standen, meldeten sich. Sie berichteten in ihren Heimatländern, dass ihnen vor ein, zwei Jahren die Pässe gestohlen worden waren. Die Identität zweier weiterer europäischer Passagiere werfe Fragen auf, sagte Malaysias Transportminister Hishammuddin Hussein.
Die Unglücksursache gibt den Ermittlern Rätsel auf. Das Flugzeug der Malaysia Airlines hatte nach bisherigen Angaben keinen Notruf abgesetzt, das Wetter in der Region war gut und der Pilot ein erfahrener Mann. Die Boeing 777-200 war am frühen Samstag in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur in Richtung Peking gestartet. Der Funkkontakt brach nach zwei Stunden kurz vor dem vietnamesischen Luftraum ab.
Schwere Flugzeugunglücke
Juni 2012: Eine McDonnell Douglas MD-83 mit 153 Passagieren stürzt in ein Wohnviertel der nigerianischen Metropole Lagos. Alle Menschen an Bord und mindestens zehn Menschen an Land kommen ums Leben. April 2012: Ein Linienflugzeug vom Typ Boeing 727 stürzt nahe der pakistanischen Hauptstadt Islamabad ab. Alle 127 Insassen sterben. Juli 2010: Eine pakistanische Passagiermaschine vom Typ Airbus A321 stürzt beim Landeanflug auf Islamabad ab. Alle 152 Menschen an Bord werden getötet. Mai 2010: Beim Absturz eines Airbus A330-200 während des Landeanflugs in der libyschen Hauptstadt Tripolis kommen 103 Menschen ums Leben. Nur ein neunjähriger Junge überlebt das Unglück. April 2010: Im russischen Smolensk sterben die 96 Insassen einer Tupolew 154, darunter der polnische Präsident Lech Kaczynski und andere Spitzenpolitiker. Juli 2009: Beim Absturz einer russischen Maschine auf ein Dorf im Iran kommen alle 168 Menschen an Bord ums Leben. Die Tupolew 154 der Caspian Airlines hatte kurz nach dem Start Feuer gefangen. Juni 2009: Ein A310 der jemenitischen Fluggesellschaft Yemenia mit 153 Menschen an Bord stürzt im Landeanflug auf die Komoren in den Indischen Ozean. Nur eine Zwölfjährige überlebt. Juni 2009: Ein französisches Verkehrsflugzeug stürzt über dem Atlantik ab. An Bord des Fluges AF 447 von Rio de Janeiro nach Paris sind 228 Menschen, darunter 28 Deutsche. Niemand überlebt. Text: dpa