Es hätte schlimmer kommen können. Am Morgen nach der mit nervöser Spannung erwarteten Parlamentswahl in Griechenland ist im politischen Berlin erst einmal die Erleichterung groß. In Notfallszenarien, über die in der Öffentlichkeit allerdings nie gesprochen wurde, hatte sich die Bundesregierung intern bereits Gedanken über den schlimmsten Fall gemacht – einen klaren Sieg des radikalen Linksbündnisses „Syriza“ und ein mögliches Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro mit allen Risiken und Nebenwirkungen dieses Schritts für die Gemeinschaftswährung.
Nun können diese Pläne erst einmal in der Schublade bleiben. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die noch am Sonntagabend vor ihrem Abflug zum G20-Gipfel in Mexiko mit dem Wahlsieger in Athen, ihrem konservativen Parteifreund Antonis Samaras, telefoniert hat, nennt das Ergebnis nicht nur eine gute Nachricht für Griechenland, sondern auch für Europa, die Eurozone und den Euro – und somit auch für Deutschland. Der Sieg der konservativen Nea Dimokratia (ND) stelle ein „klares Votum“ für den Verbleib des südeuropäischen Landes in der Eurozone dar, sei aber auch ein Bekenntnis, den eingeschlagenen Weg der Reformen und der Modernisierung fortzusetzen. Aus dem mexikanischen Los Cabos lässt die Kanzlerin allerdings keinen Zweifel aufkommen, dass sie die neue griechischen Regierung in der Pflicht sieht, die bereits getroffenen Vereinbarungen nach der monatelangen Pause wegen zweier Wahlkämpfe innerhalb weniger Wochen nun auch konsequent umzusetzen. „Es gilt das, was vereinbart worden ist.“ Wobei sie fast drohend hinzufügt: „Jetzt ist nicht die Zeit für irgendwelche Rabatte.“ Dagegen kann sich Außenminister Guido Westerwelle (FDP) durchaus ein Entgegenkommen vorstellen, indem Europa sich bereit erkläre, „über die Zeitachsen noch einmal zu reden“, womit er eine gewisse Verwirrung auslöst. Aber auch er stellt unmissverständlich fest: „An den Reformen führt kein Weg vorbei.“
Auch SPD und Grüne forderten die künftige griechische Regierung auf, zu den bisherigen Zusagen zu stehen. Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), verlangte von Wahlsieger Samaras ein grundsätzliches Bekenntnis dazu. Erst dann könne man über „Details“ wie Maßnahmen für mehr Wachstum und Beschäftigung reden, sagte Schulz.
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir forderte, Griechenland in der „Zeitachse“ entgegenzukommen. Linke-Chef Bernd Riexinger lehnte das vereinbarte Sparprogramm weiterhin strikt ab. „Die Börsen jubeln, weil die Regierungen in Europa weiter für die Banken aufkommen“, sagte er im Nachrichtensender n-tv.
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt lehnte inhaltliche und zeitliche Zugeständnisse der EU dagegen ab: „Die Eurostaaten sind Griechenland bei den Konditionen für europäische Hilfen bereits weit entgegengekommen.“
Eine klare Absage erteilt Merkel allen Forderungen nach Gemeinschaftsanleihen wie Euro-Bonds oder den neu ins Gespräch gebrachten Euro-Bills, Euro-Bonds mit kurzfristigen Laufzeiten, die das Risiko begrenzen sollen. Auch das von den Wirtschaftsweisen entwickelte Modell eines Schuldentilgungsfonds wird kategorisch abgelehnt. Gemeinschaftsanleihen stünden nicht nur im Gegensatz zu den EU-Verträgen, heißt es in Berlin, sondern würden auch dazu führen, dass die Krisenländer bei ihren Bemühungen um Haushaltsdisziplin nachlassen. Denn nichts fürchtet Angela Merkel mehr als einen fatalen Dominoeffekt: Während alle auf Griechenland blicken und über Athen reden, spitzt sich die Lage Spaniens dramatisch zu. Mit Material von dpa