Direkte Demokratie kann funktionieren wie in Duisburg. Dort jagten am Sonntag 129 833 Bürger Oberbürgermeister Adolf Sauerland aus dem Amt. Hintergrund ist die Katastrophe bei der Loveparade vor eineinhalb Jahren mit 21 Toten.
Das könnte dem aus Duisburg stammenden Würzburger Oberbürgermeister Georg Rosenthal nicht passieren – unter keinen Umständen. Ortsoberhäuptern und Landräten im Freistaat droht innerhalb einer Amtsperiode kein Ungemach vom Souverän, den Bürgerinnen und Bürgern. Bayerns Kommunalverfassung kennt kein Abwahlverfahren, auch in Baden-Württemberg gibt es keine Chance, den Amtsinhaber abzuwählen.
In Schwerin, Cottbus, Hanau, Potsdam und im hessischen Maintal wurde Bürger- beziehungsweise Oberbürgermeistern vom Bürger der Stuhl vor die Tür des Rathauses gesetzt. Warum nicht in Bayern?, fragt Dr. Jochen Hofmann-Hoeppel, Fachanwalt für Verwaltungsrecht aus Höchberg. „Bürgermeister werden schließlich urdemokratisch gewählt. Warum sollen sie dann nicht urdemokratisch abgewählt werden können?“
Weil es „das Bürgermeisterkegeln“ nicht geben soll, erklärt Dr. Johann Keller, Experte für Kommunales Wahlrecht beim Bayerischen Gemeindetag. Das habe damit zu tun, dass Landräte und Bürgermeister in Süddeutschland traditionell direkt vom Bürger gewählt werden und nicht von „Gemeindeparlamenten“ wie im Norden der Republik. Das sei auch der „Verlässlichkeit der Amtsführung“ geschuldet. Wäre der bayerische Bürgermeister stets von Abwahl bedroht, würde das wie ein Damoklesschwert über jeder Amtshandlung schweben. Ein bayerischer Bürgermeister habe für eine bestimmte Zeit einen bestimmten Auftrag. Wenn sich ein Amtsträger schwerer Verfehlungen schuldig macht, könne er über ein Disziplinarverfahren seines Amtes enthoben werden. Eine solche Amtsenthebung gebe es „immer wieder mal in Bayern“, sagt Keller.
„Eine Amtsenthebung kann eine langwierige Geschichte sein“, sagt Dr. Josef Ziegler aus Güntersleben bei Würzburg, Ex-Vorstand der Bayerischen Verwaltungsschule. Trotzdem spricht sich Ziegler „aus eher praktischen Gründen“ gegen die Möglichkeit einer Abwahl aus. Die Amtszeit der Landräte und Bürgermeister sei in Bayern „nicht übermäßig lang“. Ziegler hält es aus Gründen der Kontinuität für ausreichend, wenn der Bürger alle sechs Jahre wählen kann.
Florian Pronold, Vorsitzender der Bayern-SPD, sieht das ähnlich. „Prinzipiell“ sei er ein Freund stärkerer Bürgerbeteiligung. Bürgerbegehren und Bürgerentscheide böten aber schon heute die Möglichkeit, Kommunalpolitik innerhalb einer Wahlperiode zu beeinflussen. Insofern sei es „kein großes Defizit“, dass Bayerns Kommunalverfassung die Abwahl eines Amtsträgers nicht vorsieht.
„Die Grünen wollen ein Mehr an direkter Demokratie“, so ihr Landesvorsitzender Dieter Janecek. Auch in Bayern sollte deshalb die Abwahl von Bürgermeistern und Landräten per Bürgerentscheid möglich sein. Seit der Einführung der Bürgerbegehren 1995 hätten die Bürger des Freistaates „ihren verantwortungsvollen Umgang mit diesem Instrument direkter Demokratie in knapp 1400 Verfahren bewiesen“.
Für Michael Piazolo, den Generalsekretär der Freien Wähler, ist das „Verfahren einer Abwahl auch für Bayern durchaus überlegenswert“, weil urdemokratisch. Allerdings sei – ähnlich wie in Nordrhein-Westfalen – ein „relativ hohes Quorum“ erforderlich. Ohne hohe Hürden vor einem Votum wäre der Amtsträger ständig von einer Abwahl bedroht.