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DOHA
Karsai boykottiert Taliban-Gespräche
Festliche Einweihung: Seit Dienstag unterhalten die Taliban ein „politisches Büro“ in Doha (Katar). Über das Büro wollen die USA direkte Friedensverhandlungen mit den Taliban aufnehmen. Eine Teilnahme von Repräsentanten von Karsais Hohem Friedensrat ist nicht vorgesehen.
Foto: Afp | Festliche Einweihung: Seit Dienstag unterhalten die Taliban ein „politisches Büro“ in Doha (Katar). Über das Büro wollen die USA direkte Friedensverhandlungen mit den Taliban aufnehmen.
Von dpa-Korrespondent Can Merey
 |  aktualisiert: 19.06.2013 21:04 Uhr

Nur widerwillig hatte der afghanische Präsident Hamid Karsai überhaupt in die Eröffnung eines Verbindungsbüros der Taliban im Golf-Emirat Katar eingewilligt. Am Ende überwog seine Hoffnung darauf, die Aufständischen in Doha endlich zu direkten Friedensgesprächen mit seiner Regierung gewinnen zu können. Dass Karsai sein Zugeständnis nun bitter bereut, machte er am Mittwoch unmissverständlich deutlich. Nicht nur haben die Taliban ihn zutiefst gedemütigt. Auch die USA haben ihren Verbündeten düpiert.

Katars Regierung richtete die feierliche Eröffnungszeremonie für das Verbindungsbüro am Dienstag in Doha aus. Vize-Außenminister Ali bin Fahad al-Hadschri stand bei der Pressekonferenz auf dem Podium neben zwei Vertretern der radikalislamischen Taliban. Nicht eingeladen waren Repräsentanten der demokratisch gewählten afghanischen Regierung. Aus dem Präsidentenpalast in Kabul hieß es, die Botschaft in Doha sei nicht einmal informiert worden. Kurz darauf teilte die US-Regierung mit, ihre Vertreter würden in Doha direkte Friedensverhandlungen mit den Taliban aufnehmen. Die USA wollen den verlustreichen Krieg nach mehr als elf Jahren fast um jeden Preis beenden. Nach Angaben der „Washington Post“ sollen die Gespräche bereits an diesem Donnerstag beginnen. Eine Teilnahme von Repräsentanten von Karsais Hohem Friedensrat ist nicht vorgesehen. Ein Affront: Karsai hat immer wieder betont, ein Friedensprozess könne nur von Afghanen geführt werden – und nicht von Ausländern.

Kann die USA Karsai umstimmen?

Karsai schäumte und kündigte seinerseits einen Boykott der Gespräche an. Auch wenn seine Vertreter gar nicht eingeladen wurden, ist das ein starkes Signal: Ein wie auch immer geartetes Ergebnis ohne Beteiligung seiner Regierung will Karsai nicht akzeptieren. Allerdings gelang es den USA in der Vergangenheit häufiger, den ebenso stolzen wie impulsiven Paschtunen umzustimmen.

Karsai geht es auch um sein Vermächtnis: Er möchte als Präsident in die Geschichte eingehen, der Afghanistan das Ende der seit fast 35 Jahren andauernden Gewalt beschert hat – und nicht als derjenige, der bei Verhandlungen zum Zuschauer degradiert wurde. Viel Zeit bleibt ihm nicht: Seine Amtszeit endet mit der Wahl im April 2014.

Als Reaktion auf das eigenmächtige Vorpreschen der Amerikaner setzte Karsai nun die laufenden Verhandlungen über ein bilaterales Sicherheitsabkommen mit den USA aus. Er pokert hoch: Im schlimmsten Fall könnte es um die Zukunft Afghanistans gehen. Ohne das Abkommen dürfte die geplante Unterstützungsmission ausländischer Truppen nach dem Auslaufen des NATO-Kampfeinsatzes Ende kommenden Jahres Makulatur sein. Ohne internationale Unterstützung aber sieht es für die afghanischen Sicherheitskräfte nach 2014 düster aus.

Nicht zur Entspannung beitragen dürfte die Reaktion von US-Präsident Barack Obama, der Karsais Ärger lapidar abtat. „Wir wussten, dass es Spannungen geben würde“, sagte Obama bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel in Berlin. „Das ist keine Überraschung.“ Er rief dazu auf, den Prozess der Verständigung zwischen den Konfliktparteien fortzusetzen. Sollte Obama damit auch die afghanische Regierung gemeint haben, so existiert ein solcher Prozess allerdings gar nicht. Offiziell unterhalten die Taliban nun ein „politisches Büro“ in Doha. Der Begriff wurde gewählt, damit nicht der Eindruck entstehen könnte, die Aufständischen-Bewegung werde als legitime Alternative zur Karsai-Regierung anerkannt und eröffne eine Botschaft in Katar. Genau diesen Eindruck erweckten die Taliban allerdings.

Taliban-Flagge gehisst

Nach der Eröffnung hissten die Extremisten auf dem Grundstück ihres neuen zweistöckigen Gebäudes feierlich die mit Koransuren bedruckte weiße Flagge der Taliban. Die Art und Weise, wie das Taliban-Büro eröffnet worden sei, habe „vollständig gegen Garantien verstoßen, die die Vereinigten Staaten Afghanistan gegeben haben“, hieß es in einer scharf formulierten Mitteilung des Präsidentenpalastes. „Von diesem Büro geht eine Botschaft von Krieg und Blutvergießen aus.“ Eine solche Botschaft verbreiteten die Taliban am Mittwoch von Doha aus. Taliban-Vertreter Mohammed Sohail Shaheen sagte dem Sender Al-Dschasira, die Friedensgespräche bedeuteten nicht, dass die Taliban ihre Gewalt in Afghanistan beendeten. „Die Angriffe werden parallel zu den Friedensgesprächen weitergehen“, sagte er.

 
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