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OTTAWA
Kanada will Anti-Terror-Gesetze verschärfen
Den Finger am Abzug: Ein Polizist in der Nähe des Ortes, an dem ein kanadischer Soldat und dessen Mörder starben.
Foto: Peter McCabeDen, afp | Den Finger am Abzug: Ein Polizist in der Nähe des Ortes, an dem ein kanadischer Soldat und dessen Mörder starben.
reda
 |  aktualisiert: 23.10.2014 19:27 Uhr

War es ein Islamist oder ein Verrückter? Nach dem Angriff auf das Parlament in Ottawa fragten sich das die Kanadier. Auch am Tag nach der Attacke mit einem toten Opfer und einem toten Täter sind viele Fragen noch ungeklärt, doch die Antwort könnte lauten: Möglicherweise war er beides. Nach und nach verdichtet sich das Bild eines Menschen, der vom Islam angezogen war, von Bekannten aber auch als verwirrt bezeichnet wurde.

Das Denkmal für die kanadischen Gefallenen aller Kriege steht gleich beim Regierungsgebäude in Ottawa, nur auf der anderen Seite der Straße. Am Mittwochmorgen schoss ein ganz in Schwarz gekleideter Mann einen der beiden Ehrenwache stehenden Soldaten nieder. Dann reckte er Augenzeugen zufolge triumphierend seine Faust. Das Opfer, ein Reservist, starb Stunden später im Krankenhaus. Der Vater eines sechs Jahre alten Jungen wurde 24 Jahre alt.

Der Angreifer gelangte in das Parlament, durch dessen steinerne Gänge Dutzende Schüsse hallten. Premierminister Stephen Harper und die Chefs der drei anderen großen Parteien waren im Haus, wurden aber schnell in Sicherheit gebracht. Letztlich war es Medienberichten zufolge der Sicherheitschef des Parlaments selbst, der seine Pistole griff und den Mann niederschoss – unmittelbar vor dem Sitzungssaal. Bisher kannten die Kanadier nicht den Namen dieses Kevin Vickers, nur die Bilder, wenn er vor Parlamentssitzungen das alte Zepter in den Saal trägt. Jetzt ist der 58-Jährige ein Held.

„Wir werden wachsam sein, aber wir werden nicht verängstigt umherlaufen.“
Stephen Harper, Premierminister Kanadas

Und der Angreifer? Michael Zehaf-Bibeau soll er heißen und 32 Jahre alt sein. Er hat eine Vergangenheit mit Vorstrafen und Drogen. Das melden kanadische Medien, die Polizei sagt nichts. Zehaf-Bibeau wurde in Kanada geboren, soll aber auch einige Zeit in Libyen gewesen sein. Vom Islam habe er sich angezogen gefühlt und immer wieder eine Moschee besucht. Also ein hartgesottener Islamist, wie der Times-Square-Bomber in New York oder die Attentäter von Boston? „Ich denke, er war geisteskrank“, zitiert die „The Globe and Mail“ einen Freund von Zehaf-Bibeau. Er sei ihm nicht extremistisch erschienen, habe aber oft davon gesprochen, vom Teufel verfolgt zu werden.

Haben die kanadischen Sicherheitsbehörden versagt? Zehaf-Bibeau war als „Reisender mit hohem Sicherheitsrisiko“ eingestuft, ganz unbekannt war er also nicht. Laut CNN steht er auf einer Liste von 90 Personen, die wegen einer Terrorgefahr beobachtet werden. Auch der britische „Guardian“ schrieb von einem „spektakulären Versagen“ des Geheimdienstes. So habe Michel Coulombe, Direktor des Canadian Security Intelligence Service, erst vor zwei Wochen vor dem Parlament gesagt, die Gefahr terroristischer Anschläge sei real, es gebe allerdings kein Anzeichen für ein bevorstehendes Attentat.

Konnte man die Pläne eines Verwirrten ahnen? Oder war Zehaf-Bibeau doch kaltblütiger als es zunächst den Anschein hatte? Sein Ziel wird er vermutlich nicht erreichen. Kanada ist stolz darauf, dass seine Institutionen nicht zu Festungen ausgebaut sind wie beim Nachbarn USA. So soll es auch bleiben, versicherten Politiker.

Und Premierminister Stephen Harper kündigte nach der „brutalen und gewalttätigen Tat“ ein Engagement seines Landes im Kampf gegen den internationalen Terrorismus an. Kanada ist bereits an den Luftschlägen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat beteiligt.

In einer Rede zur Wiedereröffnung des Parlaments betonte er am Donnerstag zugleich, Kanada lasse sich nicht von Gewalt und Terror einschüchtern. „Wir werden wachsam sein, aber wir werden nicht verängstigt umherlaufen“, sagte er unter Beifall der Abgeordneten. Allerdings blieb einen Tag nach dem Attentat im Regierungsviertel die Frage nach islamistischen Hintergründen weiter offen.

Der Held mit dem Schwert

Normalerweise trägt er Schwert und Keule und selbst einige der Leute, die er beschützen soll, lächeln über sein Amt: Kevin Vickers ist der „Sergeant at Arms“ im kanadischen Parlament, eine Funktion, die vom Mutterland Großbritannien übernommen wurde und über dessen Abschaffung immer wieder diskutiert wird. Beim Angriff auf das Parlament in Ottawa bewies der Ex-Polizist, dass er auch anders kann. Vickers soll der Mann gewesen sein, der den Attentäter erschoss und Schlimmeres verhinderte. Nicht nur in Kanada ist er jetzt ein Held und die Abgeordneten feiern ihn bei Twitter. Dabei sieht es in der Tat seltsam aus, wenn Vickers (58) als Sicherheitschef, das Schwert an der Seite, das gewaltige Zepter zu Sitzungsbeginn in das Abgeordnetenhaus trägt und in eine extra angefertigte Halterung legt. Doch Vickers hat fast 30 Jahre bei der Royal Canadian Mounted Police gearbeitet, die viele als beste Polizei der Welt bezeichnen. Er hat Morde geklärt und Streitereien geschlichtet. 2005 wurde Kevin Vickers Sicherheitschef im Parlament. Abgeordneter Craig Scott sagte: „Die Abgeordneten und ihre Mitarbeiter verdanken ihre Sicherheit, ja ihr Leben Sergeant at Arms Kevin Vickers, der den Angreifer direkt vor dem Sitzungssaal niedergeschossen hat.“ TExt/FOTO: dpa

 
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