Knapp vier Monate nach dem Grundschulmassaker von Newtown verhärten sich im Kampf um strengere Waffengesetze in den USA die Fronten. Während der Senat in wenigen Tagen über erste Gesetzesentwürfe abstimmen will, hat die mächtige Lobbyorganisation National Rifle Association (NRA) am Dienstag (Ortszeit) eigene Vorschläge unterbreitet, in denen sie für jede Schule bewaffnete Sicherheitskräfte fordert. Kritiker erklärten den Vorstoß zu einem Ablenkungsmanöver. Präsident Barack Obama wollte am Mittwoch in Denver zur Waffenkontrolle sprechen, die er zu einem Kernanliegen seiner zweiten Amtszeit erklärt hat.
Die 225-seitige Studie der NRA, die von einer „National School Shield Task“ erarbeitet wurde, will ausgebildeten Sicherheitskräften das Tragen von Waffen in den Schulen aller Bundesstaaten erlauben. Neben Aufrüstungen wie dem Einbau von Sicherheitsglas und Überwachungskameras empfiehlt der Report, Lehrkräfte noch besser auf den Umgang mit Katastrophen vorzubereiten. Psychologische Pilotprogramme sollen Mobbing verhindern und helfen, Gefahren im Vorfeld zu erkennen.
Präsenz von Sicherheitspersonal
„Wenn Sie daran interessiert sind, unsere Schulen sicherer zu machen und Kinderleben zu retten, schauen Sie sich diese Empfehlungen ernsthaft an“, riet der ehemalige Kongressabgeordnete Asa Hutchinson Journalisten im National Press Club in Washington. Der Republikaner hat früher im Ministerium für Innere Sicherheit gearbeitet und nun für die NRA deren Arbeitsgruppe geleitet.
Hutchinson sagte, die Präsenz von Sicherheitspersonal sei genauso wichtig wie die psychologische Komponente. Die Studie geht allerdings nicht auf die Punkte ein, um die sich die Debatte bislang vor allem dreht: semiautomatische Sturmgewehre, die Verfügbarkeit von Magazinen mit mehr als zehn Schuss und flächendeckende Hintergrundprüfungen von Käufern. Das letzte Anliegen wird parteiübergreifend von 90 Prozent der Amerikaner befürwortet, es soll dazu beitragen, dass Menschen mit schwieriger Vorgeschichte nicht allzu einfach an Waffen gelangen. Die NRA ist trotzdem dagegen.
Die Vorkämpfer klarerer Regeln kritisierten das Konzept denn auch als Ablenkungsmanöver: Zwei der berüchtigtsten Schulmassaker der USA haben stattgefunden, obwohl Sicherheitskräfte vor Ort waren: 1999 an der Columbine High School in Colorado und 2007 an der Virginia Tech University in Blacksburg. Viele Bundesstaaten stellen es ihren Bildungsinstituten jetzt schon frei, Wachpersonal anzuheuern.
Polizisten sehen Konzept kritisch
Selbst Polizisten stehen dem Konzept aber kritisch gegenüber, und die meisten Lehrer sehen nicht ein, dass sie ihre chronisch klammen Einrichtungen zur Festung umrüsten sollen, nur weil die Flut von Waffen im Land nicht eingedämmt wird. Zur Situation außerhalb von Schulen äußert sich der NRA-Report nicht.
„Wir haben um die 300 Millionen Waffen in unserer Gesellschaft“, sagte Mark Glaze von der Vereinigung „Bürgermeister gegen illegale Waffen“ den öffentlichen PBS-Nachrichten, „weil die NRA mäßige Beschränkungen systematisch zurechtgestutzt hat. Jetzt können sie argumentieren, dass man bei so vielen Waffen nie verhindern kann, dass welche in kriminelle Hände fallen – wir sollten besser jeden bewaffnen“.
NRA-Geschäftsführer Wayne LaPierre hat flächendeckende Hintergrundchecks früher befürwortet, inzwischen aber einen Sinneswandel vollzogen: Er fürchtet, die Regierung werde ihr Wissen über kurz oder lang nutzen, um Waffenbesitzer zu besteuern oder zu enteignen. Die Waffenlobby hat bereits erreicht, dass ein demokratischer Gesetzentwurf für den Senat stark verwässert wurde: Ein Verbot von Sturmgewehren wird darin nicht mehr enthalten sein, auch die Aussichten für eine Beschränkung der Patronenanzahl in Magazinen stehen schlecht. Am Dienstag meldete die „Washington Post“, auch der Ausbau der Hintergrundchecks sei in Gefahr, ebenso der Plan, effektiv gegen illegalen Waffenhandel vorzugehen. Im republikanisch dominierten Repräsentantenhaus gibt es bislang gar keine Vorlagen.
Obama will Druck erhöhen
Nach der Osterpause will Präsident Obama öffentlich Druck aufbauen. Mit Colorado hat er sich für seinen heutigen Auftritt nicht nur den Bundesstaat ausgesucht, in dem vergangenen Sommer ein Amokläufer in eine Batman-Filmpremiere geplatzt war. Der traditionell waffenfreundliche Staat hat unlängst auch neue Kontrollregelungen erlassen, darunter verbesserte Hintergrundprüfungen. In Connecticut, wo sich im Dezember das Newtown-Massaker ereignete, einigten sich Vertreter beider Parteien am Montag auf einige der schärfsten Waffengesetze der USA.