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MOSKAU
Kameras für die Wahl in Russland
Von dpa-Korrespondent Wolfgang Jung
 |  aktualisiert: 19.10.2020 09:01 Uhr

Per Mausklick ins Wahllokal: Nach heftigen Fälschungsvorwürfen nach der russischen Parlamentswahl im Dezember sollen sich skeptische Wähler nun selbst ein Bild vom Ablauf machen können. Wenn das größte Land der Erde am 4. März einen neuen Präsidenten bestimmt, können Millionen Menschen zwischen St. Petersburg und Wladiwostok am Computer live dabei sein – durch Internetkameras in Wahllokalen. Doch Opposition und Experten kritisieren die Initiative von Regierungschef Wladimir Putin, der nach der Abstimmung in den Kreml zurückkehren will, als Augenwischerei und Geldverschwendung.

Es ist ein Mammutprojekt: Mindestens 330 Millionen Euro kostet die Initiative – in einem Land, in dem für viele Menschen nicht einmal medizinische Grundversorgung garantiert ist. 600 Tonnen Elektronik mussten im Ausland eingekauft werden, weil Russland die Vernetzung der etwa 96 000 Wahllokale nicht alleine stemmen kann. Zur Verlegung der Glasfaserkabel bei minus 40 Grad Celsius wird mancherorts schwere Technik benötigt. Alles für eine faire Wahl – oder?

„Die geplanten zwei Kameras pro Wahllokal schließen Fälschungen nicht aus“, meint Heidi Tagliavini. Die Schweizer Diplomatin leitet die Wahlbeobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Beobachter wollen diesmal zu Tausenden in den Wahllokalen sein, um sich von einer ordnungsgemäßen Abstimmung zu überzeugen. Sie fürchten technische Mängel oder ein Fälschen der Protokolle, wenn die Internetkameras ausgeschaltet sind. Vize-Telekommunikationsminister Ilja Massuch sagt, bei der Wahl könnten rund 60 000 User pro Kamera gleichzeitig die Übertragung sehen. Putin argumentiert deshalb, dass die Kameras Manipulationen verhindern.

Dem widersprechen Computerexperten wie Jewgeni Bogera. „Die Aufzeichnungen sind leicht zu fälschen, da die verwendeten Kameras Datum und Uhrzeit nicht festhalten. Das wertlose Zeug, das Putin da ausgewählt hat, garantiert keine Echtheit“, sagte Bogera dem Magazin „Itogi“. Ähnlich sieht es der Multimilliardär und Kandidat Michail Prochorow: „Die Webcams überwachen die Wahl, aber beim entscheidenden Auszählen der Stimmen sind sie ausgeschaltet.“

Opposition und Wahlbeobachter hatten bei der Parlamentswahl am 4. Dezember 2011 schwere Verstöße angeprangert. In einer Umfrage gaben jetzt 67 Prozent an, trotz Putins Initiative auch nicht mit einer fairen Präsidentenwahl zu rechnen, wie das Forschungsinstitut Lewada-Zentrum mitteilte. „Die Menschen wollen Reformen und einen Dialog der Regierung mit der Opposition“, sagt Lewada-Vizechef Alexej Graschdankin. „Internetkameras können das nicht ersetzen.“

 
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