Einmal mehr blieb Emmanuel Macron „Meister der Uhren“: So wird in Frankreich die Eigenart des Präsidenten bezeichnet, sich bei Entscheidungen nicht von den Medien oder seinen politischen Gegnern unter Druck setzen zu lassen, sondern deren Zeitpunkt in aller Gelassenheit selbst in der Hand zu behalten. So handhabte es Macron nun auch mit der Umbildung seiner Regierung.
Nachdem der frühere Innenminister, sein einstiger Unterstützer Gérard Collomb, Anfang Oktober nach offen geäußerter Kritik an dem „Hochmut“ des Präsidenten zurückgetreten war, dauerte es fast zwei Wochen, bis Macron und sein Regierungschef Édouard Philippe dessen Nachfolger als Nummer zwei der Regierung bestimmten und bei dieser Gelegenheit das Kabinett teilweise umbauten. Angesichts der permanenten Terrorbedrohung galt es als erstaunlich, dass diese Schlüsselposition in der Zwischenzeit von Premierminister Philippe mit ausgeführt wurde.
Neuer Innenminister wird mit Christophe Castaner ein Mann aus dem Kreis von Macrons engsten Vertrauten. Von seinen bisherigen Ämtern als Chef der Präsidentenpartei La République en marche (LREM) und als Staatssekretär für die Beziehungen zum Parlament tritt der 53-Jährige zurück. Bei Castaner handelt es sich wie bei seinem Vorgänger Collomb um einen Ex-Sozialisten, der zu den ersten entscheidenden Stützen Macrons gehörte.
Mit seiner Wahl setzt der Präsident in unruhigen Zeiten auf Loyalität. Neu besetzt wurden außerdem das Landwirtschaftsministerium mit dem früheren Sozialisten Didier Guillaume sowie das Kultusministerium mit dem Konservativen Franck Riester, der im Parlament die Macron-nahe Gruppe „Agir“ („Handeln“) mitbegründet hatte.
Klare Signale gehen von diesen Entscheidungen aus. Sie weisen nicht nur in Richtung der Sozialisten und der Macron-kompatiblen Konservativen, sondern befördern auch zwei Mitglieder der mit der LREM verbündeten Zentrumspartei MoDem (Mouvement Démocrate). Deren Vertreter Marc Fesnau wird mit Castaners bisherigem Posten für die Beziehungen mit dem Parlament betraut und die MoDem-Politikerin Jacqueline Gourault mit einem Ministerium für den Zusammenhalt der Gebiete und die Gebietskörperschaften.
Indem der bisherige umstrittene Landwirtschaftsminister Stéphane Travert gehen musste, bezahlte er auch für das Zerwürfnis mit dem beliebten Ex-Umweltminister Nicolas Hulot, der vor mehreren Wochen das Handtuch warf – die Lobbys der Industrie und der Bauern seien zu stark für eine ambitionierte Umweltpolitik, klagte Hulot. Auch die bisherige Kulturministerin Françoise Nyssen hatte enttäuscht mit einem farblosen Auftreten und dem Vorwurf, vor mehreren Jahren als Chefin eines Verlages unerlaubte bauliche Vergrößerungen am Staat und dem Fiskus vorbei durchgeführt zu haben.
Ihr Abgang zeigt wie bereits jener des TV-Stars und beliebten Umweltaktivisten Hulot die Grenzen von Macrons Versuch auf, Politik-Neulinge ins Kabinett zu holen.