Das seien doch alles nur „Stinkbomben“ seiner politischen Gegner, hatte Sarkozy Anfang des Jahres – noch im Wahlkampf – geschimpft: All die Vorwürfe um illegale Spenden, Korruption, Günstlingswirtschaft. Nun aber nimmt die französische Justiz den Ex-Präsidenten ins Visier – völlig geruchsfrei.
Bereits während seiner Amtszeit lastete der Verdacht auf ihm, er habe seinen Wahlkampf 2007 von der L'Oréal-Erbin und Milliardärin Liliane Bettencourt sponsern lassen, aber auch darüber hinaus Geld von Frankreichs reichster Frau erhalten – die stark von seiner Steuerpolitik profitierte. Mit der Wahl im Mai hat er auch seine juristische Immunität verloren; nun droht ihm ein Verfahren, zunächst wegen Ausnutzung von Schwäche: Möglicherweise war die heute 90-jährige Bettencourt, die vor einem Jahr wegen Demenz entmündigt wurde, schon seit 2006 sehr beeinflussbar, was viele in ihrem Umfeld ausnutzten. Um herauszufinden, ob Sarkozy dazu gehörte, lud ihn am Donnerstag ein Untersuchungsrichter in Bordeaux vor. Zunächst stand nicht fest, ob er als Zeuge oder Beschuldigter befragt wurde.
Bei Razzien in seinem Büro und seiner Wohnung hatten die Ermittler im Sommer seine Terminplaner sichergestellt, aus denen mehrere verdächtige Treffen im Vorfeld der Wahl 2007 hervorgehen – unter anderem mit Bettencourts damaligem Vermögensverwalter Patrice de Maistre, der selbst zu den Großspendern der Partei gehört, sowie Besuche beim Ehepaar Bettencourt, das regelmäßig vor allem konservative Politiker empfing. Bettencourts frühere Buchhalterin Claire Thibout sprach von einem wahren „Défilé“ in deren Villa im Pariser Nobel-Vorort Neuilly-sur-Seine, deren Bürgermeister Sarkozy jahrelang war; auch er sei vorbeigekommen, damals noch als Innenminister und mitten im Wahlkampf. Für Eric Woerth, zu dieser Zeit Schatzmeister seiner bürgerlich-konservativen Partei, habe sie 150 000 Euro in bar abheben sollen, erklärte Thibout.
Der frühere Staatsanwalt Philippe Courroye soll lange versucht haben, Ermittlungen zu verhindern, bis er abgesetzt wurde; er gilt als Vertrauter Sarkozys – auch Treffen zwischen den beiden sind vermerkt vor allem zu einer Zeit, als die Vorwürfe aufkamen.
Darüber hinaus wartet weiterer juristischer Ärger auf den 57-jährigen Ex-Präsidenten: Die Antikorruptionsvereinigung „Anticor“ hat ihn wegen Begünstigung und Veruntreuung öffentlicher Mittel angezeigt. Während seiner Amtszeit von 2007 bis 2012 soll er ein Meinungsforschungsinstitut, dessen Chef er nahesteht, auf Staatskosten mit Umfragen in Höhe von drei Millionen Euro beauftragt haben. Der Anzeige zufolge dienten sie lediglich einem „privaten oder parteipolitischem Interesse“.
Zudem besteht der Vorwurf dass Sarkozys politischer Ziehvater, der ehemalige konservative Premierminister Edouard Balladour, seine Präsidentschaftskampagne 1995 gegen Jacques Chirac mit Schmiergeldern finanziert hatte, die nach Waffendeals mit Pakistan und Saudi-Arabien nach Frankreich zurückflossen; und zwar über eine Firma in Luxemburg, deren Gründung Sarkozy, damals Haushaltsminister in Balladurs Regierung, gebilligt hatte. Gegen einige seiner engsten Weggefährten wird ermittelt.
Die „Stinkbomben“ könnten sich zu einem handfesten Problem auswachsen, das die Hypothese von einer Rückkehr Sarkozys auf die politische Bühne vollends zunichtemacht. Auf der medialen hingegen bleibt er weiterhin – mehr als ihm wohl lieb ist.