
Für eine Rücktrittsforderung fand sich zwar keine Mehrheit. Dennoch ließen die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes in Straßburg am Mittwoch kein gutes Haar an der Blitzbeförderung des Juncker-Vertrauten Martin Selmayr zum Generalsekretär der Behörde. Martin Selmayr war lange Jahre die rechte Hand von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Am 21. Februar gönnte der seinem Mitarbeiter eine Doppelbeförderung und machte ihn zum Generalsekretär der Kommission und Chef von mehr als 32 000 EU-Beamten. Das Verfahren „könnte als putschartige Aktion gesehen werden, die die Grenzen des Rechts dehnt oder sogar überdehnt“, urteilte das EU-Parlament.
Kritik hinter verschlossenen Türen
Die Vorwürfe richten sich längst nicht mehr gegen den 47-jährigen gebürtigen Bonner Selmayr, sondern gegen den Kommissionspräsidenten selbst. „Junckers Zinnober unterläuft alle Transparenzstandards, die in einer öffentlichen Behörde nötig sind“, befand der SPD-Parlamentarier Arndt Kohn, Mitglied des Haushaltskontrollausschusses, der den Fall untersucht. Mit allen Mitteln versuchen der Kommissionschef und seine Sprecher seither aufkommende Kritik im Keim zu ersticken.
Ende März soll der Präsident sein persönliches Schicksal sogar von der Akzeptanz Selmayrs an der Spitze des Apparates abhängig gemacht haben: „Wenn er geht, gehe ich auch“, habe Juncker vor den Spitzenpolitikern der Europäischen Volkspartei (EVP) gesagt. Die Drohung nützte nicht viel. Nach Information des „Spiegel“ ging der Streit intern munter weiter. Erst am Mittwoch vergangener Woche sollen sich Währungskommissar Pierre Moscovici und die Chefdiplomatin der EU, Kommissionsvizepräsidentin Federica Mogherini, hinter verschlossenen Türen kritisch über den Vorgang geäußert haben.
Anträge zum Rücktritt abgewiesen
Im Kreis der Parlamentarier gewannen am Mittwoch die zurückhaltenden Stimmen die Oberhand. So wurden Anträge, die Selmayr zum sofortigen Rücktritt aufgefordert hätten abgewiesen – abgesehen davon, dass auch dieser Appell kaum mehr als ein Symbol gewesen wäre. Die EU-Parlamentarier haben keinerlei rechtliche Handhabe, den Kommissionspräsidenten oder den neuen Generalsekretär aus dem Amt zu heben.
Der für Haushalt und Personalfragen zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger appellierte nach dem Votum der Volksvertreter: „Wir sind an dem Punkt angelangt, an wir all dies sachlich, objektiv und mit klarem Verstand betrachten müssen.“ Die Kommission sei „nicht von ihrem internen Rechtsrahmen abgewichen und hat auch nicht gegen die bestehenden Verfahren, die seit Jahren befolgt werden, verstoßen.“