„AfD, AfD“, schallt es lautstark durch den gut gefüllten Saal im Vier-Sterne-Superior-Hotel „Maritim“ in Berlin, als der Spitzenkandidat der Alternative für Deutschland (AfD), Bernd Lucke, am Sonntag kurz nach 18 Uhr die Bühne betritt. Die Prognosen der Fernsehanstalten sind eindeutig – 6,5 Prozent hat seine EU-kritische Partei erhalten und zieht somit erstmals in ein Parlament ein. Lucke strahlt und winkt der Menge zu. Fast schon erhaben bewegt der 51-jährige Professor für Makroökonomie die Hand hin und her. Zu seiner Rechten haben sich seine fünf Kinder aufgestellt. Die Mädchen tragen Kleider, die Buben Anzüge. Zu seiner Linken stehen die anderen AfD-Kandidaten für das Europaparlament, sie haben sich ähnlich herausgeputzt. Dann wird es auf einmal still – Partei-Gründer Lucke hat das Wort.
„Es ist Frühling. Die AfD ist aufgeblüht als eine neue Volkspartei.“ Applaus brandet auf. Die Menge jubelt. Seine Kinder seien der Grund für sein politisches Handeln, deshalb habe er sie mit auf die Bühne gebeten. Was für sie gelte, gelte auch für die Europäische Union. „Wir müssen Europa da loben, wo es gut ist, und da kritisieren, wo es der Kritik bedarf.“ Brav stehen alle fünf da und lächeln, während Papa spricht. Schon nach wenigen Minuten verlässt er die Bühne, die Presse wartet, für den Spitzenkandidaten beginnt ein wahrer Interview-Marathon.
Parteimitglieder feiern ausgelassen, sie haben Sekt- und Biergläser in der Hand. „Wir sind sehr zufrieden, es hätte aber auch noch ein bisschen mehr sein können“, sagen viele. Trotzdem sehen sie ihre Partei als klaren Sieger des Abends. Verlierer seien alle anderen, vor allem aber die FDP. Die AfD ist ihrer Meinung nach die einzige Partei, die die Sorgen der Bürger hinsichtlich der EU ernst nimmt. „Wir sind nicht Europa-feindlich. Aber man muss über den Euro diskutieren dürfen“, sagt eine Berlinerin. Und mit dieser Meinung steht sie nicht alleine da. „Wir brauchen eine Diskussion darüber, wie wir eigentlich zum Euro stehen“, sagt ein anderer. Das Ergebnis sei eine klare Absage an die Europa-Politik der Altparteien.
Der Erfolg der Partei war nicht aus heiterem Himmel gefallen, sondern hatte sich abgezeichnet. Bei der Bundestagswahl im vergangenen September erreichte die AfD aus dem Stand 4,7 Prozent – mehr als jede andere neue Partei in der Geschichte der Bundesrepublik. Dass die EU-Kritiker bei der Europa-Wahl sogar noch um einiges besser abschneiden würden, stand nach allen Umfragen bereits im Vorfeld fest.
Offen ist am Wahlabend, wie sich Lucke und seine Mitstreiter im Europäischen Parlament positionieren. Man wolle mit Parteien des „gemäßigten populistischen Zentrums“ zusammenarbeiten, sagt Lucke, der die AfD „als eine freiheitliche Partei, als eine soziale Partei und als eine werteorientierte Partei“ bezeichnet. Sie als rechtslastig oder gar anti-europäisch abzustempeln, sei „diffamierend“. So schließt Lucke am Wahlabend kategorisch aus, im EU-Parlament mit „irgendwelchen rechtspopulistischen Parteien“ zusammenzuarbeiten. Vielmehr wolle er die AfD attraktiv halten für gemäßigte Wähler des konservativen Bürgertums, das sich von der nach links gerückten CDU von Bundeskanzlerin Angela Merkel enttäuscht fühle.