Die Mühlen der deutschen Justiz mahlen nicht nur gründlich. Sie mahlen, wenn es sein muss, auch schnell: Nicht einmal zwei Tage nach seiner Festnahme auf dem Flughafen Tegel hat das Berliner Kammergericht gestern die von der ägyptischen Regierung geforderte Auslieferung des bekannten Fernsehjournalisten Ahmed Mansour gestoppt.
Nachdem ein Sprecher von Bundesjustizminister Heiko Maas noch am Vormittag von einer Bearbeitungszeit von bis zu 60 Tagen für den politisch brisanten Fall gesprochen hatte, war am frühen Nachmittag schon alles entschieden: Trotz eines internationalen Haftbefehls, den die Regierung in Kairo erwirkt hatte, ist Mansour wieder ein freier Mann.
Wie berichtet war der Star des Fernsehsenders Al Dschasira in Ägypten zu einer Haftstrafe von 15 Jahren verurteilt worden, weil er an der Folterung eines Anwalts in Kairo im Frühjahr 2011 beteiligt gewesen sein soll. Mansour selbst bestreitet dies. Mindestens so unklar wie die Hintergründe dieses Urteils allerdings sind auch die Hintergründe seiner Festnahme.
Auch auf mehrfaches Nachfragen hin konnten Außen-, Innen- und Justizministerium am Montag nicht erklären, warum Mansour erst bei der geplanten Ausreise nach Katar verhaftet wurde und nicht schon bei seiner Einreise Mitte Juni, als er von Sarajevo kommend in München landete.
Der internationale Haftbefehl stammt schließlich bereits vom Oktober vergangenen Jahres. Nach Auskunft seines Anwaltes Fazli Altin wird Mansour darüber hinaus beschuldigt, Unwahrheiten verbreitet zu haben, die die innere Sicherheit Ägyptens gefährdeten. Die Vorwürfe seien allerdings sehr unbestimmt.
Nach der Festnahme hatten Politiker von Koalition und Opposition, aber auch der Verein „Reporter ohne Grenzen“ und der Deutsche Journalistenverband vor einer Auslieferung des 53-Jährigen gewarnt. Wörtlich sagte der Vorsitzende des Verbandes, Michael Konken: „Deutschland darf sich nicht zum Komplizen des ägyptischen Regimes machen.“ Gleichzeitig jedoch wogen die Vorwürfe gegen den vielleicht bekanntesten Journalisten der arabischen Welt offenbar so schwer, dass das Auslieferungsersuchen der Regierung in Kairo „nicht von vorneherein völlig aussichtslos ist“, wie der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, es formulierte. Deutschland allerdings hat kein Auslieferungsabkommen mit Ägypten geschlossen, so dass die Justiz hier auch einen größeren Handlungsspielraum hat als bei einem per Haftbefehl gesuchten US-Amerikaner.
Wie in einem Brennglas, sagt der Diplomat Schäfer, bündelten sich in der Person von Mansour die Probleme einer ganzen Region. Er selbst macht aus seinen Sympathien für islamistische Strömungen kein Geheimnis – und der Sender, für den er arbeitet, galt nur vorübergehend als Synonym für einen neuen, aufgeklärten Journalismus in der arabischen Welt. Heute steht Al Dschasira im Verdacht, die Werbetrommel für die umstrittenen Muslimbrüder zu rühren, die in Ägypten für kurze Zeit mit Mohammed Mursi den Präsidenten stellten, ehe er von den Militärs um den heutigen Staatschef Abd al-Fattah al-Sisi wieder aus dem Amt geputscht wurde. Seitdem geht dessen Regime hart gegen Islamisten vor. So wurden im Mai mehr als 100 der mittlerweile verbotenen Muslimbrüder in einem Massenprozess zum Tode verurteilt, darunter auch Mursi selbst.
Mansours Sender vermeldete dessen Freilassung fast so schnell wie die deutschen Nachrichtenagenturen: „Wir begrüßen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft.“ Auf die deutsche Justiz ist, anders als auf die ägyptische, eben Verlass.