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BERLIN
Joachim Gauck hat die Hälfte seiner Amtszeit hinter sich
Neuer Bundespräsident: Joachim Gauck nach seiner Wahl am 18. März 2012 in der Bundesversammlung.
Foto: Michael Kappeler, dpa | Neuer Bundespräsident: Joachim Gauck nach seiner Wahl am 18. März 2012 in der Bundesversammlung.
Rudi Wais
Rudi Wais
 |  aktualisiert: 13.01.2016 11:00 Uhr

Der Vergleich mag ein wenig hinken – aber er dürfte Joachim Gauck gefallen haben. Ende August, bei der 200-Jahr-Feier der Monarchie, saß der Bundespräsident unter den Ehrengästen in Maastricht, als der niederländische Außenminister Frans Timmermanns zu einer wahren Eloge auf ihn anhob. Einer der seltenen Schätze der europäischen Geschichte, schwärmte er, sei der deutsche Präsident – und stellte ihn in eine Reihe mit dem tschechischen Freiheitshelden Vaclav Havel, den Gauck schon zu DDR-Zeiten als Oppositioneller und Pfarrer in Rostock zitiert hatte: „Die Macht der Mächtigen erwächst aus der Ohnmacht der Ohnmächtigen.“

Es sind Sätze wie diese, eindringlich, plakativ und seltsam zeitlos, aus denen Joachim Gauck noch immer einen Großteil seiner Popularität schöpft. Nach den Rücktritten seiner Vorgänger Horst Köhler und Christian Wulff hat er dem höchsten Amt, das die Republik zu vergeben hat, in den vergangenen zweieinhalb Jahren wieder zu neuer Seriosität verholfen und den Verdacht, er baue sich als eine Art Gegenspieler der Kanzlerin auf, schnell widerlegt.

Seine scharfe Kritik an der russischen Rolle in der Ukraine-Krise, zum Beispiel, war mit Angela Merkel vorher abgesprochen: „Die Geschichte lehrt uns, dass territoriale Zugeständnisse den Appetit von Aggressoren oft nur vergrößern.“ Sollen die Linke und ein paar Historiker ihm ruhig vorwerfen, er habe sich in Ton und Diktion vergriffen: Joachim Gauck hat mit seinem Auftritt bei der Gedenkfeier zum 75. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen auf der Westerplatte genau das erreicht, was er erreichen wollte und worüber er sich anschließend mit einer fast schon kindlichen Eitelkeit freuen kann: Wirkung. Deshalb nennt er die Anhänger der rechtsextremen NPD auch „Spinner“ und den Kurs von Recep Tayyip Erdogan in der Türkei „eine Gefahr für die Demokratie“.

In diesen Tagen hat der 74-Jährige die erste Hälfte seiner Amtszeit hinter sich – und in einer für ihn elementaren Frage früher als erwartet recht bekommen. Als Gauck im Januar bei der Münchner Sicherheitskonferenz dafür wirbt, Deutschland solle sich in internationalen Krisen früher, entschiedener und substanzieller engagieren, machte im Irak noch kein Islamist Jagd auf die Jesiden und Wladimir Putin ein noch unschuldigeres Gesicht als heute, wenn man ihn auf die Ukraine ansprach. Mittlerweile schickt die Bundeswehr Waffen in den Nordirak und wird bald auch Soldaten für eine neue Eingreiftruppe der Nato abstellen, was beides ganz im Sinne des Präsidenten ist. Als Christ, hat Gauck einmal in kleiner Runde gesagt, sei er nicht automatisch Pazifist. „Manchmal kann auch der Einsatz von Soldaten erforderlich sein.“

Ob er eine zweite Amtszeit anstrebt, lässt er bislang offen, obwohl es in Deutschland nur die Kanzlerin an Beliebtheit mit ihm aufnehmen kann und die halbe Parteienlandschaft, von Grünen-Chef Cem Özdemir über den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner bis zu CDU-Vize Thomas Strobl, ihn schon mehr oder weniger direkt zu einer erneuten Kandidatur aufgefordert hat. Lediglich in der SPD, deren Vorsitzender Sigmar Gabriel ihn der Kanzlerin schon 2010 als Kandidat empfohlen hatte, ehe die sich dann für Wulff entschied, hält man sich bedeckt. Dem Vernehmen nach hat die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ein Auge auf die Gauck-Nachfolge geworfen.

Bis dahin allerdings sind es noch zweieinhalb Jahre, wenn nicht mehr. Das Amt, mit dem er anfangs so gefremdelt hat, hat von seinem Inhaber längst Besitz ergriffen – und der von ihm. Einer von Gaucks engsten Vertrauten aus der Zeit in der Stasi-Unterlagenbehörde, der spätere BND-Chef Hansjörg Geiger, hat es vor kurzem so formuliert: „Ich glaube, er freut sich jeden Tag, dass er Bundespräsident ist.“

Gaucks bekannteste Zitate

Über das Amt: „Ihr habt keinen Heilsbringer oder keinen Heiligen oder keinen Engel, ihr habt einen Menschen aus der Mitte der Bevölkerung als Bundespräsidenten.“ Über Deutschlands Rolle in der Welt: „Eines gleich vorweg: Dies ist ein gutes Deutschland, das beste, das wir jemals hatten.“ – „Die Kernfrage lautet doch: Hat Deutschland die neuen Gefahren und die Veränderung im Gefüge der internationalen Ordnung schon angemessen wahrgenommen? Reagiert es seinem Gewicht entsprechend?“ Über Rechtsextremisten: „Dass in der Mitte unseres Volkes ausgerechnet rechtsradikale Überzeugungen wieder Gehör finden – das finde ich so eklig. (. . .) Wir brauchen da Bürger, die auf die Straße gehen, die den Spinnern ihre Grenzen aufweisen und die sagen: bis hierher und nicht weiter!“ Über die Ukraine-Krise: „Wir werden Politik, Wirtschaft und Verteidigungsbereitschaft den neuen Umständen anpassen.“ Über Krieg: „In diesem Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen ist es manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen.“ Text: dpa

 
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