Als John Forbes Kerry 2004 in Boston zum Präsidentschaftskandidaten der US-Demokraten ausgerufen wurde, bestellte er zum Hauptredner einen jungen Senator, den damals noch kaum jemand kannte: Barack Obama aus Illinois. Kerry verlor gegen den republikanischen Amtsinhaber George W. Bush, aber vier Jahre später zog der junge Schwarze, den er bekannt gemacht hatte, ins Weiße Haus. Dass Obama den 69-Jährigen für seine zweite Amtszeit als Außenminister nominierte, ist trotzdem mehr als nur eine Revanche. „In gewissem Sinn hat Johns gesamtes Leben ihn auf diese Rolle vorbereitet“, sagte der Präsident.
Von einem Spitzenamt träumte der Diplomatensohn aus Massachusetts schon früh. Als er sein Politikwissenschaftsstudium an der renommierten Yale University in New Haven aufnahm, hatte er bereits für Ted Kennedy gearbeitet, die Halbschwester von First Lady Jaqueline Kennedy ausgeführt und schließlich auch den Präsidenten selbst getroffen, mit dem er die Initialen teilte – JFK. Landesweit bekannt wurde der Katholik, als er 1971 als hochdekorierter Vietnam-Veteran vor dem Senat über und gegen den Krieg aussagte. Nach einem ersten, vergeblichen Anlauf auf den Kongress arbeitete Kerry als Jurist, bevor er 1982 hinter Michael Dukakis Vizegouverneur von Massachusetts wurde. 1984 schließlich errang er einen der beiden Senatssitze des Staates – Kerry war in der Hauptstadt angekommen.
Gleich in den ersten vier Monaten bereiste er die damaligen Krisenherde Nicaragua und Philippinen und hatte anschließend maßgeblichen Anteil daran, die US-Politik dort zu verändern. Kerry sitzt seit knapp drei Jahrzehnten im außenpolitischen Ausschuss des Senats; seit 2009 leitet er ihn auch.
Seine eigene Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2004 führte zu einer bitteren Schlammschlacht, in deren Verlauf die Republikaner den Irakkriegsgegner als Wendehals und elitären Ostküstensnob diffamierten. Beim innerdemokratischen Wahlkampf 2008 sprach Kerry sich öffentlich für Obama und gegen Hillary Clinton aus. Obwohl der neue Präsident im Außenamt anschließend seiner ehemaligen Rivalin den Vorzug gab, hat Kerry seither nicht nur im Senat Loyalität bewiesen, sondern auch hinter den Kulissen manche Kohlen aus dem Feuer geholt; bekannt wurden heikle Missionen in Afghanistan, Pakistan und dem Sudan. 2012 diente Kerry Obama als Sparringspartner zur Vorbereitung auf die TV-Debatten gegen Herausforderer Mitt Romney.
Trotzdem wäre er bei der Nachfolge der amtsmüden Clinton fast erneut übergangen worden: Als Obamas Favoritin galt die derzeitige UN-Botschafterin Susan Rice, die der Präsident nicht nur ihres unverblümten Stils wegen schätzt, sondern auch wegen ihres kompromisslosen Eintretens für die Menschenrechte. Nach umstrittenen Fernsehaussagen zum Angriff auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi war Rice aber politisch kaum noch durchsetzbar; am 13. Dezember hatte sie selbst ihren Verzicht bekannt gegeben.
Zu Kerrys größten Herausforderungen im neuen Amt gehören strukturelle Reformen, die Katastrophen wie diejenige von Bengasi verhindern sollen. Kerry muss außerdem eine Balance finden zwischen Eigenständigkeit und Kooperation mit dem Weißen Haus. Obwohl er politisch mit Obama meist übereinstimmt, ist bekannt, dass er die weltweite Führungsrolle der USA gern deutlicher herausstellen würde.