„Mister Euro“ ist wieder da. Nur ein gutes Jahr nach seinem Rücktritt vom Amt des Euro-Gruppen-Chefs hat die konservative EVP-Parteienfamilie Jean-Claude Juncker zu ihrem Spitzenkandidaten gemacht.
Nun darf der einstige Luxemburger Premier, der mit 18 Jahren (1995 bis 2013) so lange wie kein anderer ein Land regierte, sogar darauf hoffen, im Falle eines Wahlsiegs Präsident der nächsten EU-Kommission zu werden.
„Ich will ein Europa, das den Arbeit suchenden Jugendlichen ihre Hoffnung wiedergibt“, bekannte der Christdemokrat vor den über 2000 Delegierten des EVP-Parteitages in Dublin. „Aber ich will kein Europa, das sich in die Kochtöpfe der Menschen einmischt und ihnen vorschreibt, was sie essen oder trinken sollen.“ Denn: „Zu viel Europa im Kleinen zerstört Europa im Großen.“
Es wäre ein beeindruckendes Polit-Comeback des „Euro-Stars“. Vor fünf Jahren stand Juncker schon als Ratspräsident der EU fest, als sich vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy von ihm abwandten. Zu heftig erschienen ihnen die zunehmenden Allüren des Luxemburgers, der sich als Vertreter eines Landes von der Größe Dortmunds, in dem 540 000 Einwohner leben, gerne als Besserwisser aufspielte. Man überging Juncker in letzter Minute und holte den Belgier Herman Van Rompuy. Im Vorjahr dann folgte auf den Rücktritt vom Vorsitz der Währungsunion der tiefe Fall aus dem Job des Ministerpräsidenten. Auslöser war eine dubiose Geheimdienstaffäre, die Juncker entglitten war. Er überlebte zwar ein Misstrauensvotum, bei den folgenden Neuwahlen aber scheiterte er. Fortan war Führer einer Opposition von gerade mal 23 Christdemokraten – diese Welt war für Juncker zu klein.
Dass er zu einer Art Vorzeige-Europäer aufrückte, hat viel mit seiner Lebensgeschichte zu tun. Der Sohn eines Hüttenwerkspolizisten wächst im Süden Luxemburgs auf. Während des Zweiten Weltkrieges wird sein Vater zwangsweise in die Wehrmacht eingegliedert, einige Familienmitglieder sterben in Konzentrationslagern. Viele Jahre später wird er daraus den Satz machen „Wer an Europa zweifelt, sollte öfter Soldatenfriedhöfe besuchen.“ Es ist Junckers Credo. An der Seite des damaligen deutschen Finanzministers Theo Waigel entwirft er den Euro. Als Chef der Währungsunion schnürt er ab 2010 die Rettungspakete für Griechenland, Irland, Portugal und den dauerhaften ESM-Rettungsschirm.
Junckers Europa hat wenig mit den Allmachtsträumen des derzeitigen Amtsinhabers José Manuel Barroso zu tun. Er konzentriert sich lieber auf europäische Kern-Themen, will die Bevormundung in kleinen und unwichtigen Fragen abbauen. Die Glühbirne hätte er wohl auch abgeschafft, die Regulierung der europäischen Duschköpfe verurteilt er. Ebenso wie sein wichtigster Herausforderer an der Spitze der europäischen Sozialdemokraten: Martin Schulz.
Der erste Europa-Wahlkampf mit länderübergreifenden Spitzenkandidaten werde „spannend“, hieß es in Dublin am Rande der Beratungen. Das liegt nicht zuletzt an diesen beiden Figuren. Juncker kontra Schulz – unterschiedlicher könnten zwei politische Gegner nicht sein. Der nachdenklich-humorvolle Philosoph Juncker auf der einen Seite, der wortgewaltige Schulz auf der anderen Seite. Der hat allerdings im Moment die Nase vorn: Bei einer Infratest-Dimap-Umfrage in Deutschland gaben 35 Prozent an, sie würden sich bei einer Direktwahl für Schulz entscheiden, Juncker erreichte 30 Prozent.