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BERLIN
Jetzt muss Jens Spahn zeigen, ob er es kann
Erster Arbeitstag von Gesundheitsminister Spahn       -  Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) spricht beim Deutschen Pflegetag.
Foto: Soeren Stache, dpa | Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) spricht beim Deutschen Pflegetag.
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 23.03.2018 03:35 Uhr

Das Ende kam abrupt. 50 Pflegebedürftige in Münster, die auf die täglichen Hausbesuche durch die Fachkräfte eines Pflegedienstes angewiesen waren, erhielten Ende des Jahres die Kündigung. Grund: gravierender Personalmangel. Doch die Suche nach Ersatz gestaltete sich äußerst schwierig: Im gesamten Münsterland haben nahezu alle Anbieter Probleme, qualifiziertes Personal zu finden, 260 Stellen sind derzeit nicht besetzt. Ein Einzelfall? Wohl kaum. „Bald knallt?s“, schrieb die Caritas in Nordrhein-Westfalen im Januar über die Situation in der ambulanten Pflege. Dem Wunsch vieler Menschen, möglichst lange im eigenen Heim zu bleiben und ambulant versorgt zu werden, stehe längst ein erheblicher Fachkräftemangel und eine dramatische Unterversorgung auf dem flachen Land gegenüber.

Umzug ins Pflegeheim

Die Folge: Pflegedienste sind nicht mehr in der Lage, Patienten mit hohem Pflegeaufwand oder mit weiter Anfahrtsstrecke zu versorgen, bleibt nur der Umzug ins deutlich teurere Pflegeheim. Aber auch im Bereich der stationären Pflege sind deutschlandweit rund 17 000 Stellen nicht besetzt, Tendenz steigend.

Der neue Gesundheitsminister Jens Spahn übernimmt eine Großbaustelle. Gleich an seinem ersten regulären Arbeitstag wurde der konservative Hoffnungsträger der Union, der in der Vergangenheit mit seiner Kritik an der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin oder zuletzt mit seinen Äußerungen zu Hartz IV sich in Szene zu setzen und als Mann klarer Worte zu profilieren wusste, auf dem Deutschen Pflegetag mit den gewaltigen Problemen konfrontiert. Zumal am gleichen Tag auch noch bekannt wurde, dass die Pflegekasse trotz einer Erhöhung der Beiträge zum 1. Januar 2017 und boomender Konjunktur ein Defizit von 2,4 Milliarden erwirtschaftete.

Gänzlich unbekannt sind Spahn die Probleme nicht, vor seiner Zeit als Staatssekretär im Finanzministerium lieferte er sich von 2009 bis 2013 als Gesundheitsexperte der Union manches Scharmützel mit den damaligen FDP-Gesundheitsministern Philipp Rösler und Daniel Bahr.

Nun aber ist es mit bloßen Worten nicht getan, nun steht er selbst in der Pflicht. Gleich mit seiner ersten Personalentscheidung setzte er dabei ein Signal – mit der Berufung des früheren Pflegeratspräsidenten Andreas Westerfellhaus zum neuen Pflegebevollmächtigen demonstrierte Spahn, dass er einem ausgewiesenen Experten mit Sachverstand diese schwierige Aufgabe an der Schnittstelle zwischen Praxis und Politik anvertraut.

Neue Jobs dagegen kann Spahn nicht schaffen, auch wenn Union und SPD ein Sofortprogramm zur Schaffung von 8000 zusätzlichen Stellen angekündigt haben. Woher aber die qualifizierten Fachkräfte kommen sollen, da die Pflegedienste wie Heime nicht einmal ihre regulären Stellen besetzen können, bleibt ein Geheimnis der Bundesregierung. Auch Spahn wird das Personal nicht herbeizaubern können.

Zudem reichen selbst die 8000 vorne und hinten nicht aus, das sind statistisch gerade einmal 0,6 Vollzeitstellen pro Einrichtung. Nach Berechnungen des Sozialverbandes VdK seien aber vier bis fünf zusätzliche Stellen nötig, das seien 60 000 neue Kräfte. Das aber würde den Beitragssatz für die Pflegeversicherung massiv in die Höhe treiben.

Unangepasster Rebell

Bislang hatte Jens Spahn leichtes Spiel. Der 37-Jährige konnte sich als aufmüpfiger, unangepasster und Tabus brechender Rebell und Merkel-Kritiker profilieren, für die Konservativen in der Union war seine Berufung ins Kabinett eine Bedingung, um dem Koalitionsvertrag zuzustimmen. Doch Angela Merkel hat den Spieß umgedreht. Indem sie dem Jungstar ausgerechnet das konfliktträchtige Gesundheitsressort übertragen hat, wo es wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren gibt, wo vor allem aber die vielfältigsten Interessen hart aufeinanderprallen, hat sie ihn in die Verantwortung genommen. Nun muss Spahn zeigen, ob er?s wirklich kann. Reden ist etwas anderes als regieren.

 
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