Die Polizei und die Nachrichtendienste können künftig direkt die Festplatten von privaten Computern oder die Speicher von Smartphones überwachen und erhalten das Recht, Nachrichten für Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Skype schon vor dem Verschlüsseln mitlesen und auswerten zu können.
Die Große Koalition machte am Donnerstag den Weg für den umstrittenen Bundestrojaner frei. Das Gesetz erlaubt es den Sicherheitsbehörden, eine spezielle Späh-Software (Trojaner) auf die Computer aufzuspielen, ohne dass die Betroffenen davon erfahren.
Nötig sind nach dem Vorbild des Großen Lauschangriffs der Verdacht auf das Vorliegen einer schweren Straftat sowie ein richterlicher Beschluss. Grüne und Linke machten dagegen schwere verfassungsrechtliche Bedenken geltend und kündigten den Gang nach Karlsruhe an.
Polizei und Verfassungsschutz hatten schon seit langem das Recht gefordert, im Kampf gegen Terrorismus oder die organisierte Bandenkriminalität das Recht auf die Telekommunikationsüberwachung an der Quelle (Quellen-TÜK) sowie auf Online-Durchsuchungen zu erhalten.
Um das entsprechende Gesetz allerdings noch kurz vor dem Ende der Legislaturperiode durch den Bundestag zu bringen, musste die Koalition einen Trick anwenden: Die Regelung wurde in der letzten Sitzung des Rechtsausschusses kurzfristig an das geplante „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ angehängt, das unter anderem Fahrverbote für Kleinkriminelle oder die Abschaffung des richterlichen Vorbehalts bei der Entnahme einer Blutprobe vorsieht.
Die Oppositionsparteien kritisierten das Vorgehen der Koalitionäre. Die Grünen forderten Union und SPD auf, ihren Gesetzentwurf komplett zurückzuziehen und durch einen verfassungskonformen Antrag zu ersetzen. „Das nahezu vollständige Wissen über die Zielperson geht weit über die akustische Wohnraumüberwachung hinaus und bedeutet eine völlig neue Tiefe des Grundrechtseingriffs.“
Auch der frühere Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, kritisierte gegenüber dieser Redaktion die Regelung. Fast jede Woche würden neue Gesetze beschlossen, die die Privatsphäre beeinträchtigen. Auch würde der neue Staatstrojaner die IT-Sicherheit gefährden, da die Behörden bei der Platzierung des Trojaners genau dieselben Schwachstellen „wie Betrüger und Erpresser“ benutzen, sagte Schaar. „Warum sollte der Staat zukünftig noch daran interessiert sein, die erkannten Sicherheitslücken zu schließen? Er würde sich ja dann selbst aussperren.“
Die Koalition verwies dagegen darauf, dass Onlinedurchsuchungen bereits seit 2008 erlaubt sind. Nun sollen sie auch auf Diebstahl, Hehlerei oder Drogenhandel ausgeweitet werden.
Allerdings gibt es technische Hürden: Das Bundeskriminalamt (BKA) hat derzeit keine technischen Möglichkeiten, Messenger-Dienste zu überwachen. Zudem fehlt eine Software, die auf Smartphones funktioniert und die Auflagen des Bundesverfassungsgerichts beim Datenschutz erfüllt. Andre Schulz, der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Kriminalbeamten, verwies darauf, dass der Staatstrojaner erst noch entwickelt werden müsse.