Sie zählen Schritte, kontrollieren den Kalorienverbrauch, informieren über Pollenflug, erinnern an die nächste Kontrolluntersuchung: Jeder fünfte Deutsche hat einer Studie zufolge eine Gesundheits- oder Medizin-App auf seinem Smartphone installiert. Tendenz steigend. „Gesundheits-Apps werden in unser Leben eindringen – auf allen Ebenen“, prognostiziert Hannelore Daniel, Inhaberin des Lehrstuhls für Ernährungsphysiologie an der Technischen Universität München.
Rund 400.000 Health-Apps weltweit im Angebot
Tatsächlich ist bereits ein gigantischer Markt entstanden: Rund 400.000 Health-Apps sind weltweit im Angebot. Jeden Monat kommen 1000 neue hinzu. In Deutschland waren 2015 5674 Gesundheits-Apps und 1522 Medizin-Apps im Google oder Apple-Store verfügbar. Doch der Markt wird größer: Wurden 2013 weltweit 1,7 Milliarden Gesundheits-Apps heruntergeladen, waren es 2014 schon 2,3 Milliarden.
Besonders beliebt in der Kategorie Gesundheit sind Apps zur Unterstützung des Bewegungs- (67 Prozent) und Ernährungsverhaltens (44 Prozent). In der Kategorie Medizin sind Apps zur Krankheitsbewältigung (42 Prozent) sowie zur Frauengesundheit (32 Prozent) gefragt, erklärt Ursula Kramer von Health On, einer Informations- und Bewertungsplattform für Health-Apps.
Was passiert mit den Gesundheitsdaten und wo landen sie?
Doch je größer die Nachfrage, desto größer auch die Sorge, was mit den sensiblen Gesundheitsdaten passiert und wo sie landen. Da etwa 80 Prozent der Medizin-Apps kostenlos sind, sollten sich die Nutzer zunächst einmal eine Grundsatzfrage stellen: Welche Interessen stehen dahinter, dass mir diese App angeboten wird? Gibt sich der App-Anbieter nicht zu erkennen, etwa durch ein transparentes Impressum, oder klärt er nicht auf über die Quelle der Informationen, zum Beispiel, welcher Experte für die Richtigkeit der Information steht, sei es ratsam, sich nach Alternativen umzusehen.
Zahlreiche Ernährungs-Apps arbeiten zum Beispiel mit Tagebüchern. Daher sollten die Nutzer darauf achten, ob es eine Datenschutzerklärung gibt, die darüber aufklärt, ob und wie personenbezogene Daten geschützt werden. „Nutzer von Apps müssen selbst aktiv werden, um sich vor Fehl- oder Falschinformationen zu schützen und personenbezogenen Gesundheitsdaten vor dem unbefugten Zugriff Dritter zu sichern“, rät Ursula Kramer von Health On.
„Gesundheits-Apps werden in unser Leben eindringen – auf allen Ebenen.“
Hannelore Daniel, Ernährungsphysiologin der TU München
Besonders häufig werden Apps zum Thema Schwangerschaft und Ernährung im ersten Lebensjahr heruntergeladen. „Weil die traditionelle Großfamilie fehlt, suchen sich Frauen den Rat von Experten und Betroffenen“, sagt Dagmar von Cramm, Ernährungswissenschaftlerin und Buchautorin, bei einem Workshop, veranstaltet vom Kompetenzzentrum für Ernährung (Kern).
Zu diesem Thema hat das Bayerische Gesundheitsministerium eine App-Trilogie entwickelt: „Schwanger & Essen“, „Baby & Essen“ und „Kind & Essen“ basiert auf aktuellen Empfehlungen der Wissenschaft und den Handlungsempfehlungen des Netzwerks Gesund ins Leben. „Die Apps liefern wichtige Informationen zu ausgewogener Ernährung, Bewegung und gesundem Aufwachsen in Schwangerschaft, Säuglingsalter und frühen Kindheit“, sagt Anja Grillenberger, Mitarbeiterin Wissenschaft am Kern. „Die kostenlosen Apps enthalten keinerlei Werbung und gewährleisten den Datenschutz, indem sie keine personenbezogenen Daten an Dritte weitergeben“, so Grillenberger.
AOK Nordost verspricht Bonusauszahlungen
Als eine der ersten Krankenkassen ist die AOK Nordost Mitte Januar mit einem vollständig digital nutzbaren Prämienprogramm auf den Markt gekommen. „FitMit AOK“ ist eine App, die den Nutzer zu sportlicher Betätigung, Vorsorgeuntersuchungen oder der Mitgliedschaft in einem Verein motivieren soll. Dafür verspricht sie den Versicherten Bonusauszahlungen von bis zu 375 Euro im Jahr. Nach einer Studie der Krankenkasse haben 55 Prozent der befragten Versicherten Interesse an einer elektronischen Trainingsunterstützung. Bei den über 60-Jährigen liege die Quote sogar noch höher.
Auch der Schutz der Versicherungsdaten sei der AOK Nordost wichtig: „Unser Datenschutzkonzept wurde von dem Datenschutzexperten Dirk Heckmann erarbeitet“, sagt Gabriele Rähse, Pressesprecherin der AOK Nordost. „FitMit AOK“ wurde in der ersten Woche bereits 1000-mal heruntergeladen und 35-mal bewertet, erklärt Kramer.
DAK Bayern: Aus für „Fit Check“-App
Die DAK Bayern hat ihre „Fit Check“-App Anfang des Jahres wieder eingestellt. „Die Programmierung und Aktualisierung hatten wir selbst vorgenommen und das war mit der Zeit sehr aufwändig“, erläutert Stefan Wandel, Pressesprecher der DAK Bayern. Allerdings sieht man bei der Krankenkasse auch den Trend zu Tracking und Selbstvermessung: „Wir beobachten den Markt und gewähren unseren Versicherten Zuschüsse zu Gesundheitstrackern wie beispielsweise der Apple Watch“, so Wandel weiter. Die AOK Bayern plant derweil keine App, sagt Presssprecher Michael Leonhart.
Die Daten der „FitMit AOK“-App verbleiben zum überwiegenden Teil auf dem Smartphone der Nutzer. Die AOK Nordost speichert lediglich Datum und Typ der zu belohnenden Aktivität sowie die daraus erzielten Prämienpunkte. Sensible Gesundheitsdaten, wie die Ergebnisse von Vorsorgeuntersuchungen, werden weder erhoben noch gespeichert. Rückschlüsse auf den individuellen Gesundheitszustand des Versicherten sind aus der App nicht ersichtlich.
Apps für chronische Krankheiten
Nach der Wirksamkeit von Gesundheits-Apps werde derzeit intensiv geforscht. „Sie können motivierend wirken, insbesondere bei den Bemühungen zur Änderung des Lebensstils. Sie können darüber hinaus wertvolle Informationen liefern, genau dort, wo Entscheidungen zu treffen sind“, sagt die Ernährungspsychologin Hannelore Daniel. In den USA boomen schon jetzt Apps, die auf Vitalfunktionen wie Blutdruck, Puls, Schlaf und Bewegung zugreifen. Bei chronischen Krankheiten kann eine App unterstützend wirken, zum Beispiel bei Diabetes oder Schmerzen. „Ich sehe solche Apps als sehr große Chance“, erklärt Ursula Kramer.