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TOKIO
Japan beschließt den Atomausstieg
Anti-Atom-Protest: Seit der Katastrophe von Fukushima ist in Japan – hier Demonstranten in Tokio – das Vertrauen in die Atomkraft weg.
Foto: dpa | Anti-Atom-Protest: Seit der Katastrophe von Fukushima ist in Japan – hier Demonstranten in Tokio – das Vertrauen in die Atomkraft weg.
dpa
 |  aktualisiert: 14.09.2012 18:57 Uhr

Eineinhalb Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima hat Japan den Atomausstieg eingeleitet. Die Regierung von Ministerpräsident Yoshihiko Noda beschloss am Freitag, in den „2030er Jahren“ aus der Atomenergie auszusteigen. Japan folgt damit dem Beispiel Deutschlands. Bis zum GAU in Fukushima in Folge des Erdbebens und Tsunamis vom 11. März 2011 hatten Japans Atomkraftwerke rund 30 Prozent des Strombedarfs gedeckt. Weitere Atomkraftwerke sollten in den nächsten Jahren hinzukommen.

„Der Atomausstieg Japans, der weltweit drittgrößten Wirtschaftsnation, ist ein wegweisendes Zeichen für das Ende der Atomenergie weltweit“, so Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital. Mit Japan stehe nach Deutschland ein weiteres Hochtechnologieland vor einer Energiewende und dem vorrangigen Ausbau der erneuerbaren Energien.

40 Jahre Laufzeit

Die neue Energiepolitik sieht vor, die Laufzeit bestehender Reaktoren auf 40 Jahre zu begrenzen. Neue sollen nicht gebaut werden. Zugleich soll die Erzeugung von erneuerbarer Energie bis 2030 auf 300 Milliarden Kilowatt-Stunden verdreifacht werden. Auch der bisher monopolistisch strukturierte Strommarkt soll liberalisiert werden.

Der GAU in Fukushima hatte das jahrzehntelange Vertrauen der Japaner in die Atomsicherheit fundamental erschüttert. Es kam zu beispiellosen Massendemonstrationen, die Mehrheit der Wähler forderte in Umfragen den vollständigen Ausstieg aus der Kernkraft. Seit diesem Mai blieben sämtliche 50 einsatzfähigen Reaktoren zu Wartungsarbeiten abgeschaltet. Stattdessen fuhr Japan eingemottete Thermalkraftwerke wieder an und muss seither massenhaft Öl und Gas einführen.

Die neue Energiepolitik sieht nun vor, Japans Emissionen an Treibhausgasen bis 2030 auf rund 20 Prozent des Niveaus von 1990 zu senken. Damit gesteht Japan indirekt ein, dass es schwierig sein wird, seine internationale Zusage zur Senkung um 25 Prozent bis 2020 zu erfüllen.

Im Juli fuhr die Regierung unter Hinweis auf drohende Stromausfälle mit schweren Folgen für die Wirtschaft zwei Atomreaktoren im AKW Oi wieder an. Weitere dürfen nur hochgefahren werden, wenn die neue Atomaufsichtsbehörde sie für sicher erklärt. Allerdings beschloss die Regierung am Freitag zugleich, die Wiederaufbereitung von abgebrannten Brennstäben vorerst fortzusetzen, was Kritiker als Widerspruch zum Ausstiegsbeschluss bezeichnen.

Druck auf die Regierung

Die Provinz Aomori und das Dorf Rokkasho, wo eine umstrittene Wiederaufbereitungsanlage steht, übten starken Druck auf die Regierung aus. Die Provinz fordert, die Wiederaufbereitungspolitik nicht aufzugeben. Die Anlage ist auch 20 Jahre nach Baubeginn wegen wiederholter Pannen noch nicht voll in Betrieb, weswegen Japan seinen Brennstoff in Großbritannien und Frankreich aufbereiten lässt. Zugleich lässt Japan dabei anfallenden Atommüll in Rokkasho lagern.

Die Provinz droht damit, die Aufnahme von abgebrannten Brennstäben aus ganz Japan zu verweigern, sollte die Wiederaufbereitung enden. London hat laut Medien bereits Tokio aufgefordert sicherzustellen, den Müll weiter aufzunehmen. Das neue Energiekonzept sieht ferner vor, vorerst weiter am umstrittenen Schnellen Brüter Monju festzuhalten, um unter anderem Wege zur Reduzierung von Atommüll zu erforschen. Dies soll jedoch irgendwann auch eingestellt werden.

Bis zur Katastrophe von Fukushima im März 2011 hat Japan die Kernenergie stetig ausgebaut. Nach dem Unglück wurden zeitweise alle 50 einsatzfähigen Reaktoren im Land zu Wartungsarbeiten abgeschaltet. Bis dahin hatten die Atomkraftwerke 30 Prozent des Strombedarfs Japans gedeckt. Es gab Pläne, den AKW-Stromanteil bis 2030 auf mehr als 50 Prozent anzuheben. Mit über einer Million Gigawattstunden pro Jahr ist Japan der weltweit drittgrößte Stromverbraucher. Nur die USA und China verbrauchen mehr.

Aussteiger

In Europa planen mehrere Länder ebenfalls eine Abkehr von der Kernkraft, andere haben sie nie genutzt. Österreich hat den Verzicht auf Atomkraft in der Verfassung verankert. Die Schweiz produziert noch 40 Prozent ihres Stroms in fünf AKW, will aber langfristig aus der Atomkraft aussteigen. Italien hat seit Jahrzehnten keine Atomkraftwerke: Nach der Katastrophe von Tschernobyl entschieden sich die Bürger 1987 in einem Referendum für den Ausstieg. In Spanien sollen AKW nach 40 Jahren Betriebszeit abgeschaltet werden. In Belgien sollen bis 2025 alle Reaktoren vom Netz sein.

 
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