Trotz unverändert bestehender Differenzen in etlichen Sachfragen bewegen sich CDU, CSU, FDP und Grüne in den Sondierungsgesprächen zur Bildung einer Jamaika-Koalition aufeinander zu und sind optimistisch, diese in der kommenden Woche erfolgreich abzuschließen.
Am späten Freitagnachmittag trafen sich die Delegationen der vier Parteien in der großen Runde, um über den aktuellen Verhandlungsstand in den zwölf Arbeitsgruppen zu beraten. Man habe „deutliche Fortschritte erarbeitet“, sagte Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer zuvor, es gebe zahlreiche Gemeinsamkeiten, insofern sehe man der „Woche der Entscheidung“ zuversichtlich entgegen. Auch FDP-Generalsekretärin Nicola Beer sprach von einer „guten Grundlage“ für die bevorstehende dritte Verhandlungsrunde. Es zeichne sich ein „gemeinsamer Rahmen“ ab. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer verwies allerdings darauf, dass „noch einige Schweißperlen“ fließen werden, um die zahlreichen in Klammern gesetzten strittigen Punkte in den Papieren zu klären.
Treffen im kleinen Kreis
Am Sonntag wollen sich die Chefs von CDU und CSU, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Horst Seehofer, die Grünen-Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir, sowie FDP-Chef Christian Lindner und sein Stellvertreter Wolfgang Kubicki treffen, um im kleinen Kreis sich inhaltlich anzunähern, einige offene Fragen zu klären und die am Montag beginnende dritte Verhandlungsrunde voranzubringen .
Die größten Differenzen bestehen unverändert bei den Themenkomplexen Migration/Flüchtlinge sowie Umweltschutz/Verkehr. Die FDP rief CSU und Grüne beim Thema Zuwanderung zu Kompromissbereitschaft auf. „Ein kleiner Ruck bei CSU und Grünen – dann könnten wir bei diesem komplexen Thema Einwanderung ein großes Stück vorankommen“, sagte FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner verwies darauf, dass es zur Flüchtlingspolitik „ganz viele Einzelgespräche“ gebe, um zu einer Annäherung zu kommen.
Entgegenkommen signalisiert
Die Liberalen signalisierten im Gegenzug erstmals ein Entgegenkommen bei der Steuer- und der Europapolitik. FDP-Chef Lindner rückte am Freitag von der bisherigen Forderung nach einer sofortigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags ab und plädierte für ein dreistufiges Verfahren, um in einem ersten Schritt sofort kleine und mittlere Einkommen und erst später auch die Besserverdienenden zu entlasten. Zudem rückte er von der im Wahlprogramm seiner Partei erhobenen Forderung nach einem Auslaufen des europäischen Rettungsschirms ESM ab. „Wenn der ESM bleibt, könnte er ein Instrument für mehr Disziplin werden“, sagte Lindner dem „Spiegel“.
Einig sind sich die potenziellen Koalitionspartner, die Digitalisierung voranzubringen und vor allem die ländlichen Räume rasch mit schnellem Internet zu versorgen. Offen ist allerdings, ob es dazu eines eigenen Ministeriums bedarf oder ob sich künftig ein Staatsminister im Kanzleramt diesem Thema widmet. Differenzen gibt es auch bei der Frage, wie der Ausbau des schnellen Internets finanziert werden soll.
Lediglich Zwischenergebnisse
Rund zwölf Milliarden Euro wollen die künftigen Koalitionäre in den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation investieren. Bis 2025 sollen für diesen Bereich mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufgebracht werden. Grünen-Bundesgeschäftsführer Kellner verwies allerdings darauf, dass alle Beschlüsse der Arbeitsgruppen unter Finanzierungsvorbehalt stünden und lediglich Zwischenergebnisse darstellten. Eine Einigung gebe es erst, „wenn alles geeint ist“. Gleichwohl zog auch er ein positives Fazit: „Die Segel sind gesetzt, wir kommen ein Stück weit voran, und ich würde mir insgesamt von allen Seiten noch mehr Rückenwind wünschen.“ Die Grünen dementierten zugleich einen Bericht des „Spiegel“, wonach sie sich bereits festgelegt hätten, welche Ministerien sie in der zukünftigen Regierung besetzen wollen. Ziel sei es, das Umwelt-, und entweder das Landwirtschafts- oder Verkehrs- sowie das Sozialressort zu besetzen, so der „Spiegel“. Ein Sprecher wies diese Darstellung zurück. „Das steht jetzt auch noch gar nicht an.“