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ROM
Jagd auf „Johnny den Zigeuner“
ITALIEN FLUCHT GIUSEPPE MASTINI       -  Archivfoto von 1989 von Giuseppe Mastini, genannt „Johnny der Zigeuner“.
Foto: Massimo Capodanno/Keystone/Ansa | Archivfoto von 1989 von Giuseppe Mastini, genannt „Johnny der Zigeuner“.
Julius Müller-Meiningen
 |  aktualisiert: 13.07.2017 04:20 Uhr

Es war still geworden um „Johnny den Zigeuner“. Seit 1989 saß der italienische Schwerverbrecher in Haft, zuletzt in einer Anstalt im Piemont. Seit vergangenem November gestattete ihm die italienische Justiz eine Hafterleichterung. Giuseppe Mastini, wie der 57-Jährige mit bürgerlichem Namen heißt, nahm täglich zusammen mit drei Mithäftlingen den Zug, um in einer Polizeischule Hausmeisterarbeiten zu erledigen. Seit vergangenen Freitag fehlt jede Spur von dem wegen Raubüberfällen, Kidnapping und Mordes berüchtigten Kriminellen. Mastini kam am Freitag nicht in die Arbeit. Die letzten Bilder von ihm zeichnete eine Überwachungskamera am Bahnhof von Genua auf. Der Häftling wird von der Polizei in Italien und Frankreich gesucht.

Beteiligung an Pasolini-Mord?

Seine Geschichte ist die eines früh Gescheiterten, eines brutalen Verbrechers und Ausbrecherkönigs. Mastini, heute 57 Jahre alt, entstammt einer Schaustellerfamilie mit Sinti-Wurzeln, daher der Beiname „Johnny der Zigeuner“. Erste schwere Straftaten beging er bereits im Alter von elf Jahren, war aber damals noch strafunmündig. Mit 15 Jahren soll er seinen ersten Mord verübt haben. Bei einem Raubüberfall auf einen Trambahnfahrer in Rom wurde das Opfer von Mastini und seinem Komplizen erst ausgeraubt und dann erschossen. Mastini bestritt seine Verantwortung für die Tat stets.

Es folgte die erste Verhaftung, dreimal hintereinander entkam der Analphabet aus der Haft. Mythen begannen sich spätestens um den in einem Wohnwagen aufgewachsenen Jugendlichen zu ranken, als ihm die Beteiligung am Mord des Schriftstellers Pier Paolo Pasolini im November 1975 in Ostia bei Rom unterstellt wurde. Ob Mastini tatsächlich am Tatort war, konnte nie nachgewiesen werden.

Mastini wurde verhaftet und verurteilt. Bei einem Freigang im Februar 1987 wurde der inzwischen drogensüchtige Jüngling wieder gewalttätig. Bei einem Raubüberfall auf ein Ehepaar in einer Villa am Stadtrand von Rom tötete Mastini den Hausherrn und verletzte dessen Ehefrau schwer. Auf der Flucht kidnappte er ein 20-jähriges Mädchen. Als ihn die Polizei wenig später zu stellen versuchte, eröffnete der Verbrecher das Feuer, tötete einen Beamten und verletzte einen weiteren Polizisten.

Es war bereits die dritte große Schießerei, die sich Mastini bis dahin mit seinen Verfolgern geleistet hatte. Auch diese Unbeugsamkeit animierte Regisseure und Liedermacher zu Werken über ihn. Ein Film trägt den Titel: „Johnny der Zigeuner – die ganze Wahrheit“. In einem Lied der italienischen Rockband „Gang“ heißt es: „Johnny wird sich nie ergeben. Weder Fenster noch Mauern noch Zellen können seine Freiheit begrenzen.“

„An der Gesellschaft rächen“

Sogar die Festnahme Mastinis im März 1987 wirkte filmreif. Weil sie in Streit gerieten, wer den berühmten Flüchtigen als Trophäe präsentieren konnte, prügelten sich Carabinieri und Beamte der italienischen Polizei. 1989 verurteilte Mastini ein italienisches Gericht zu lebenslanger Haft. Seit acht Monaten war dem 57-Jährigen und drei Mithäftlingen die tägliche Fahrt zu seinem Arbeitsplatz erlaubt. Am Freitag verloren sich seine Spuren am Bahnhof von Genua.

Einem befreundeten Sozialarbeiter soll Mastini zuletzt seine Depressionen offenbart haben. Sein einziger Wunsch, so der Bekannte, sei es gewesen, zu verschwinden. „Wenn ich eines Tages draußen bin, will ich mich an der Gesellschaft rächen, die mich so schlecht behandelt hat“, hat „Johnny der Zigeuner“ einmal in einem Interview gesagt. Ob das eine ernst gemeinte Drohung oder nur der verzweifelte Satz eines Gescheiterten war, bleibt offen.

 
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