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BERLIN
Ist eine Kindergartenpflicht sinnvoll?
KINA - Lesen ist prima - und das sollen alle wissen       -  Sprachförderung im Kindergarten ist sinnvoll. Eine allgemeine Kindergartenpflicht wollen nicht alle Experten daraus herleiten.
Foto: W. Grubitzsch, dpa | Sprachförderung im Kindergarten ist sinnvoll. Eine allgemeine Kindergartenpflicht wollen nicht alle Experten daraus herleiten.
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 16.04.2018 02:57 Uhr

Braucht Deutschland eine Kindergartenpflicht? Für alle Mädchen und Jungen oder speziell für jene, die in ihren Familien kein Deutsch lernen? Seit der französische Präsident Emmanuel Macron verkündet hat, dass in Frankreich die Schulpflicht künftig bereits für Kinder ab drei Jahren gilt, werden diese Fragen kontrovers diskutiert.

Der Bildungsforscher Dieter Lenzen, Rektor der Universität Hamburg, lobt die Ausweitung der Schulpflicht in Frankreich als „beispielhaft“. Mittelfristig solle dies „auch ein Ziel in Deutschland sein“, so der Vorsitzende des „Aktionsrats Bildung“. Lenzen ergänzt: „Dieses gilt auch und besonders im Hinblick auf die sehr großen Zahlen von Migrantenkindern aus bildungsfernen Schichten, deren Integration ohne solche Maßnahmen außerordentlich schwierig ist.“

Es gebe „sowohl beschäftigungspolitische Gründe als auch solche der Gleichstellung von Frauen und Männern und insbesondere Gründe der Herstellung von Chancengerechtigkeit für die Kinder, eine Bildungseinrichtung durchzusetzen, die früher wirksam wird als die jetzige Grundschule.“

Eine allgemeine Kindergartenpflicht gibt es in Deutschland nicht, die Früherziehung ist Sache der Länder und Kommunen. In Berlin müssen Kinder mit Sprachproblemen bereits seit einigen Jahren verpflichtend für mindestens 18 Monate in die Kita. Zumindest in der Theorie. Doch wie örtliche Medien berichten, wird die „Kitapflicht“ von den meisten der betroffenen Familien schlichtweg ignoriert. Rund 90 Prozent der fraglichen Kinder bleiben bis zur Einschulung zu Hause.

Ein untauglicher Versuch

Der Senat hatte demnach 2000 Familien angeschrieben, weil ihre Kinder keine Kita besuchen, und zu einem verpflichtenden Sprachtest gebeten. Zu diesem erschienen nur 650 Kinder, 470 von ihnen fielen durch. Von denen wiederum nur 50 anschließend die Kita besuchten. Die CDU spricht von „Staatsversagen“. Die meisten der Familien, die gegen die Kitapflicht für ihre Kinder verstoßen, leben im Problembezirk Neukölln. Die neue Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) war dort bis vor kurzem Bürgermeisterin. Sie hatte immer wieder laut über eine Kitapflicht für Kinder mit Sprachproblemen nachgedacht. Und in ihrer Antrittsrede im Bundestag angekündigt, die frühkindliche Bildung stark fördern zu wollen.

Auf Anfrage dieser Redaktion sagt sie: „Ich bin eine Verfechterin von guter frühkindlicher Bildung. Wir müssen früh anfangen, damit jedes Kind es packt. Ein Fünfjähriger, der sich nicht alleine anziehen kann, nicht rückwärts laufen, nicht den Stift halten kann, und Probleme beim Sprechen hat, hat keine guten Startbedingungen für die 1. Klasse. Wenn sich das fortsetzt, wird das kein guter Schulabschluss.“ Am Ende bedeute das: „Keine Ausbildung, keine Arbeit, Sozialleistungsbezug. Das darf nicht passieren.“

In Deutschland gebe es aber nicht genügend Kitaplätze, „nicht mal annähernd“. Die Ministerin: „Da müssen wir ansetzen und das ändern.“ Es gebe immer noch Bundesländer, in denen Eltern hohe Gebühren bezahlen, kritisiert sie: „Wir müssen erstmal dahin kommen, dass wir für alle ein Angebot machen können. Ich wünsche mir, dass alle Eltern sagen: Die Betreuung in Deutschland ist so gut, das möchte ich meinem Kind nicht vorenthalten. Egal, ob es eine gut situierte bürgerliche Familie ist oder eine, die Unterstützung braucht.“

Marcus Weinberg (CDU), familienpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, könnte sich „durchaus vorstellen, dass Kindern, bei denen im Kindergarten- oder Vorschulalter Sprachdefizite oder Integrationsdefizite festgestellt werden, bereits vor dem Schulbeginn zusätzliche und verpflichtende Angebote und spezielle Vorschulmaßnahmen verstärkt unterbreitet werden.“

Förderung führt zum Erfolg

Gerade für den Bereich der Integration und des Spracherwerbs gelte: „Je früher wir Kinder fördern, desto größer sind die Erfolge.“ Von einem Kitazwang für alle Kinder halte er allerdings nichts.

Eine Kindergartenpflicht in Deutschland nach französischem Vorbild lehnt auch die FDP ab. Nicola Beer, bildungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, sagt, statt einer Besuchspflicht brauche Deutschland eine Qualitätspflicht für Kindergärten. Von der Linksfraktion kommt ebenso ein klares Nein zu einer möglichen Kitapflicht.

 
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