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WASHINGTON
Ist Deutschland für Donald Trump Staatsfeind Nr. 1?
Angela Merkel und Donald Trump       -  Kanzlerin Merkel trifft im März 2017 in Washington US-Präsident Trump.
Foto: Michael Kappeler | Kanzlerin Merkel trifft im März 2017 in Washington US-Präsident Trump.
Karl Doemens
Karl Doemens
 |  aktualisiert: 24.05.2022 09:14 Uhr

Deutsche Wirtschaftsvertreter waren entsetzt, als ihnen kürzlich bei Gesprächen mit Ministerialbeamten in Washington ein Arbeitspapier zu ihrem Heimatland gezeigt wurde. Die Bundesrepublik sei ein „economic enemy“ (wirtschaftlicher Feind), hieß es nach Informationen dieser Redaktion in dem Ministeriumspapier.

Es gibt keinen Zweifel: Die Exportnation Deutschland befindet sich im Fadenkreuz des US-Präsidenten: Donald Trump ärgern die erfolgreichen Autos, die muslimischen Einwanderer und die geringen Verteidigungsausgaben.

Auch mit der spröden Kanzlerin kann er nichts anfangen. Insofern stehen Angela Merkel beim G7-Gipfel keine vergnüglichen Stunden bevor. „Wir sind ins Kreuzfeuer der amerikanischen Kritik geraten“, räumen deutsche Regierungsvertreter hinter vorgehaltener Hand ein.

Ausgerechnet bei Trumps Lieblingsthemen gehen die Positionen weit auseinander: Hier eine rigide Migrationspolitik und Protektionismus – dort ein liberales Asylrecht und ein mächtiger Exportüberschuss. Zudem beruht der wirtschaftliche Erfolg der Bundesrepublik aus Trumps Sicht nicht zuletzt auf dem militärischen Schutz durch die USA.

Doch Berlin ist von der in der Nato vereinbarten Richtgröße der Verteidigungsausgaben von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts meilenweit entfernt.

Also grollt Trump. Er hat, wie die Washington Post berichtet, ohnehin keine große Lust, wenige Tage vor seinem möglicherweise historischen Treffen mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un zum G7-Treffen nach Kanada zu reisen. Ernsthaft soll er erwogen haben, die Teilnahme abzusagen und seinen Stellvertreter Mike Pence zu schicken.

Schlagabtausch mit Trudeau

Mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau lieferte sich Trump einen Schlagabtausch am Telefon. Und regelmäßig, so die Zeitung, beklage er sich intern über Kanzlerin Merkel.

Zu objektiven Gründen dürften psychologische Motive hinzukommen. Trump ist besessen von Handelsbilanzen. Vor jedem Treffen mit einem ausländischen Regierungschef lässt er sich die Zahlen zeigen. Während die Einfuhren und Ausfuhren beispielsweise mit Frankreich halbwegs ausgeglichen sind, fährt Deutschland aus US-Sicht einen fetten Überschuss von 50 Milliarden Euro ein. Der verdeutlicht sich für Trump in den zahlreichen deutschen Autos auf amerikanischen Straßen. Und dann ist da noch Merkel: „Ich glaube, sein mangelnder Respekt vor Frauen spielt eine große Rolle“, erklärte jüngst der konservative Publizist David Frum.

In der idyllischen Einöde von Charlevoix hat Trump offenbar wenig Lust, über Geschlechtergerechtigkeit und Umweltschutz zu reden, wie das der Gastgeber Kanada plante. Die Themen seien Wirtschaftswachstum, der Handelskonflikt und die gemeinsame Sicherheit, kündigte Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow an. Der ehemalige Fernsehmoderator pries den US-Präsidenten als „stärksten Handelsreformer seit vielen Jahrzehnten“.

Den Präsidenten verteidigt

Man solle nicht Trump die Schuld dafür geben, dass das Welthandelssystem zerbrochen sei: „Gebt den Ländern die Schuld, die aus dem System ausgebrochen sind.“ Das war ein klarer Seitenhieb gegen China, aber auch gegen Europa – und vor allem Deutschland. In freundlichem Ton kündigte Kudlow zwei bilaterale Treffen Trumps mit Trudeau und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron an. Kanzlerin Merkel erwähnte er mit keinem Wort.

Zwar treffen die neuen US-Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte die Bundesrepublik vergleichsweise glimpflich. Doch bei einer Eskalation des Konflikts steht für Deutschland das Fundament seines Wohlstands auf dem Spiel: Jeder achte Arbeitsplatz zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen hängt direkt oder indirekt von der Autoindustrie ab. Trump scheint fest entschlossen, diesen wunden Punkt zu nutzen, um den Druck für günstigere Handelskonditionen zu erhöhen.

So hat der Präsident seinen Wirtschaftsminister Wilbur Ross vor zwei Wochen angewiesen, die Verhängung von Einfuhrzöllen bis zu 25 Prozent auf Autos zu prüfen – angeblich, weil sie die amerikanische Sicherheit gefährden. Das passt zum Bild des ökonomischen Feindes.

Und damit nicht genug: Nach einem Bericht der Wirtschaftswoche soll Trump intern bereits erklärt haben, er werde seine Handelspolitik so lange fortsetzen, bis keine Mercedes-Modelle mehr auf der 5th Avenue in New York zu sehen seien. Das Zitat wurde zwar nicht bestätigt. Aber es klingt verdammt authentisch.

 
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