(dpa/uni) Lange wurde danach gesucht, jetzt könnte es entdeckt worden sein: das Higgs-Teilchen, das auch das Gottesteilchen genannt wird. Das haben Experten am europäischen Forschungszentrum CERN in Genf bekannt gegeben. Mit dem Begriff Gottesteilchen wird angedeutet, dass man einen der letzten Bausteine zur Erklärung des Kosmos gefunden hat. An der Suche beteiligt waren auch Physiker der Universität Würzburg.
In den vergangenen Tagen war in den Medien schon viel darüber spekuliert worden: Haben Wissenschaftler am europäischen Forschungszentrum für Elementarteilchenphysik CERN in Genf das sogenannte Higgs-Teilchen gefunden? Es gilt als letzter unbekannter Baustein der Materie und soll erklären, warum sie überhaupt eine Masse hat. Das Teilchen war dringend gesucht worden, ohne seine Existenz wäre das sogenannte Standardmodell der heutigen Teilchenphysik bedroht gewesen.
Im derzeitigen Standardmodell der Materie hätten die Teilchen ohne Higgs-Feld keine Masse. Dieses durchzieht nach Annahme der Physiker das Universum und ist unsichtbar wie das Magnetfeld oder elektrische Felder. Durch die Wechselwirkung der Materieteilchen mit dem Higgs-Feld wird demnach die Masse erzeugt.
Im weltweit größten Teilchenbeschleuniger, dem Large Hadron Collider (LHC), haben die Wissenschaftler dafür Protonen aufeinanderprallen lassen, die zuvor fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt worden waren. Bei den Kollisionen entstehen Elementarteilchen, die schon im frühen Universum existiert und den Aufbau der Materie und die Entwicklung des Universums bestimmt haben. Die Forscher aus aller Welt gewinnen so am LHC seit über zwei Jahren Unmengen von Daten.
Nun gab das CERN bekannt, dass sich in diesen Daten Spuren des Higgs-Teilchens zeigen. „Bei einer Masse von etwa 125 Giga-Elektronvolt sehen die Experimente in den Messdaten ein neues Teilchen, das das lange gesuchte Higgs-Teilchen sein könnte“, erklärt Professor Thomas Trefzger.
Trefzger – sein Lehrstuhl hat gerade vom Bundesministerium für Bildung und Forschung fast eine Million Euro Fördermittel für ein Projekt am Teilchenbeschleuniger LHC erhalten – ist Physiker an der Universität Würzburg. Er und sein Kollege Raimund Ströhmer arbeiten mit an einem der CERN-Experimente: Sie und ihre Teams sind am sogenannten Atlas-Experiment beteiligt – zusammen mit rund 400 Wissenschaftlern aus 13 Universitäten in Deutschland, dem DESY (Deutsches Elektronen-Synchrotron) in Hamburg sowie dem Max-Planck-Institut in München.
Wie Trefzger sagt, spricht „manches dafür, dass es sich tatsächlich um das Higgs-Teilchen handelt“. Allerdings seien nun weitere Messdaten und Untersuchungen notwendig. Joachim Mnich, Forschungsdirektor am DESY, ist euphorisch: „Was sich hier anbahnt, ist für mich die Entdeckung des Jahrhunderts.“
Das letzte Elementarteilchen
Das Higgs-Teilchen spielte der gängigen Teilchentheorie zufolge eine zentrale Rolle bei der Entstehung des Universums nach dem Urknall. Es sorgt demnach dafür, dass alle Objekte eine Masse haben. Wissenschaftler gehen davon aus, dass Teilchen in den ersten Milliardstelsekunden nach dem Urknall zunächst masselos mit Lichtgeschwindigkeit umhersausten. Erst durch die Interaktion mit dem Higgs-Energiefeld bekamen sie Masse und konnten dadurch schließlich das Universum bilden – denn erst durch Masse und Schwerkraft entstanden Sonne, Planeten und schließlich das Leben. Das Higgs-Teilchen selbst lässt sich am ehesten als eine Art Fußabdruck des Higgs-Felds beschreiben. Das Higgs ist das letzte noch fehlende Elementarteilchen, um das Standardmodell der Teilchenphysik zu vervollständigen. Dieses gilt als die beste Erklärung, wie im Universum die zwölf Elementarteilchen und vier Grundkräfte oder fundamentale Wechselwirkungen (Gravitation, elektromagnetische Kraft sowie starke und schwache Kernkraft) zusammengehören.
ONLINE-TIPP
Forscher erklären in einfacher Sprache, was Elementarteilchen sind und wie eine Teilchenkollision im LHC abläuft: www.mainpost.de/wissenschaft