Was haben Argentinien und Griechenland gemein? Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas gab im Jahr 2001 die Bindung des Peso zum US-Dollar auf und bediente ihre Staatsschulden nicht mehr. Das Land wird von Experten sowohl als Vorbild als auch als abschreckendes Beispiel für Griechenland beschrieben. Zuletzt hatte Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz das Vorgehen Argentiniens als Alternative zu der von der Eurozone und dem IWF verordneten Sparpolitik empfohlen.
Tatsächlich gibt es Parallelen zwischen beiden Ländern. Schon während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 hatte Argentinien große Schuldenberge aufgehäuft – auch wegen der Rüstungspolitik. Die Schuldenlast stieg dann in den 1990er Jahren weiter an, und am Ende des Jahrzehnts war das Land hoffnungslos verschuldet. Es unterwarf sich dann der Spar- und Reformpolitik des Internationalen Währungsfonds (IWF). Nach schweren Unruhen infolge der Kürzungspolitik wurde Ende 2001 der Schuldendienst ausgesetzt und die Bindung an den US-Dollar aufgehoben.
Es folgten zwei dramatische Jahre für Argentinien mit einer schweren Rezession und hoher Inflation. Der frühere argentinische Wirtschaftsminister Domingo Cavallo warnt Griechenland daher: Das Land müsse nach einem Euro-Austritt „zwei Jahre durch die Hölle gehen“. Allerdings erholte sich Argentinien nach einer Abwertung des Peso von rund 70 Prozent relativ rasch von der Krise. Im Gegensatz zu Griechenland verfügt Argentinien aber über eine relativ starke Exportwirtschaft, die von der Abwertung profitierte. Gleichzeitig schossen die Preise von Soja nach oben – dank der steigenden Nachfrage aus China. Die anziehende Wirtschaft sorgte auch für steigende Steuereinnahmen.
In Griechenland dürfte vor allem der Tourismus von einer Abwertung profitieren. Dieser läuft jedoch jetzt schon ordentlich. Zwar könnten sich mittelfristig neue exportorientierte Unternehmen ansiedeln. Angesichts der strukturellen Schwächen und der sehr langen Genehmigungsverfahren ist Griechenland für Unternehmensgründungen aber wenig attraktiv. Ohne Reformen geht es also auch nach einem Austritt nicht. Dass die Reformbereitschaft ohne den Druck der Gläubiger zunimmt, ist nicht unbedingt zu erwarten. „Generell werden die positiven Folgen einer Abwertung überschätzt“, sagt Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz.
Zudem würden nach einer Aufgabe des Euro die Preise für eingeführte Produkte aller Voraussicht nach deutlich steigen. Medikamente und auch einige Lebensmittel könnten unerschwinglich werden. Griechenland würde hier möglicherweise Hilfe von den übrigen EU-Ländern bekommen, während die Europäische Zentralbank (EZB) einen zu starken Einbruch der neuen Drachme verhindern könnte. Argentinien war hingegen auf sich allein gestellt.
Eine schwer zu bewältigende Herausforderung wäre für Griechenland die Einführung einer neuen Währung. Die Aufgabe der Bindung des Pesos an den Dollar war damals in Argentinien eine vergleichsweise leichte Aufgabe. Griechenland hingegen müsste ohne Vorbereitung schnell eine neue Währung in Umlauf bringen. „Die Produktion von neuen Banknoten wäre für eine Regierung, die nicht einmal eine Grillparty organisieren kann, keine leichte Aufgabe“, sagt Erik Nielsen, Chefvolkswirt bei der italienischen Großbank UniCredit, überspitzt.
Der Chef des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, schlägt hingegen die sofortige Einführung einer neuen elektronischen Währung vor. Allerdings verfügen vor allem viele ältere Griechen über keine Bank- und Kreditkarten. Der Anteil von Bargeldzahlungen ist in Griechenland besonders hoch.
Ein wirtschaftliches Musterland ist Argentinien nicht geworden. Heute liegen die Inflationsraten zwischen 20 und 30 Prozent, die Wirtschaft ist im vergangenen Jahr geschrumpft. Die Notenbank wird von der Regierung zu einer sehr expansiven Geldpolitik gedrängt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte das Land im vergangenen Jahr als „Muster an Unsolidität“ bezeichnet.
Tatsächlich leidet Argentinien weiter unter den Spätfolgen der Krise. Wegen eines juristischen Dauerstreits mit Hedgefonds infolge noch nicht bedienter Kredite wird es für das Land immer schwieriger, wieder Zugang zu den internationalen Kreditmärkten zu finden. Das dürfte auch für Griechenland alles andere als einfach werden: Zwar liegt ein Großteil der griechischen Verbindlichkeiten bei staatlichen Organisationen, aber immerhin rund 20 Prozent sind noch in der Hand von privaten Gläubigern.
In jedem Fall könnte die verweigerte Rückzahlung an den IWF Griechenland lange von den Kapitalmärkten abschneiden.