Die Sommerferien sind für rund 7,9 Millionen Israelis eine seltene Gelegenheit, nicht nur dem Arbeitsstress für kurze Zeit zu entfliehen, sondern auch dem Gefühl, ständig bedroht und belagert zu sein. Von allen Seiten ist das Land von Stacheldrahtzäunen umgeben. Seit dem Beginn des Arabischen Frühlings trauen sich nur noch wenige in den benachbarten Sinai, lange das einzige Naherholungsgebiet. In den Städten kontrollieren bewaffnete Wächter Kunden auf Bomben, bevor sie Supermärkte oder Caféhäuser betreten. So freute sich auch am Mittwoch eine Gruppe von rund 150 Reisenden, einer schweren Hitzewelle ins kühlere, friedliche Bulgarien zu entfliehen. Doch die Spannungen in Nahost holten die Israelis ein.
Ein Selbstmordattentäter bestieg einen der Busse, die die Touristen in ihre Hotels befördern sollten, und zündete einen Sprengsatz. Sieben Menschen kamen ums Leben, 32 wurden zum Teil schwer verletzt. Israelische Politiker, Militärs und Sicherheitsexperten waren sich schon kurz nach dem Attentat einig: Die libanesische Hisbollah-Miliz und der iranische Geheimdienst stehen hinter dem Anschlag.
Iran weist Anschuldigung zurück
Dabei stritten Teheran und die Hisbollah jede Verantwortung vehement ab. Man würde sich bei der Vergeltung für Israels Verbrechen doch nicht mit der Tötung von ein paar Touristen begnügen, erklärte die militante Hisbollah. Teheran bezeichnete die Anschuldigung als „lächerlich“ und erklärte, Iran sei gegen Terrorattentate. Auch am Tag nach dem Anschlag blieb die Identität des Attentäters unbekannt. Auf seiner stark entstellten Leiche wurde nur ein gefälschter amerikanischer Führerschein gefunden. Die Bilder der Sicherheitskameras, die ihn erstmals rund eine Stunde vor der Tat auf dem Flughafengelände in Burgas filmten, zeigen einen langhaarigen, blonden, weißen Mann in kurzen Hosen und mit einem großen Rucksack.
Doch Israels Führung war sich in der Schuldzuweisung einig. Außenminister Avigdor Liebermann sprach von Hinweisen, die über „jeden Zweifel erhaben“ seien, ging aber nicht in Details. Selbst der sonst so umsichtige Staatspräsident und Friedensnobelpreisträger Schimon Peres erklärte: „Wir sind Zeugen einer tödlichen Terrorattacke aus dem Iran.“ Israel habe „die Möglichkeiten und den Willen, Terrororganisationen zum Schweigen zu bringen“, warnte Peres ungewohnt martialisch. Verteidigungsminister Ehud Barak gelobte, die Täter zur Verantwortung zu ziehen.
Attentat erfolgte ohne Warnung
Donnerstagnachmittag erreichten 35 Verwundete des Anschlags in einer israelischen Militärmaschine den Flughafen in Tel Aviv. Entsetzt verglichen viele das Chaos in Bulgarien mit den geschulten, kriegserprobten Rettungsdiensten ihrer Heimat. Nach acht Jahren fast ohne Terror waren Israels Zeitungen am Donnerstag wieder mit den Bildern eines verkohlten Autobusses gefüllt: Die Tageszeitung „Haaretz“ sprach von der Rückkehr des „satanischen Symbols unserer ärgsten Alpträume“, Omen dafür, „dass die Atempause vorbei ist und uns das Schlimmste noch bevorsteht“. Kommentatoren hoben hervor, dass es vor dem Anschlag keine konkreten Warnungen gegeben habe, und fragten, ob man nun angesichts zunehmender Bedrohung aus dem Iran seine Urlaubspläne nicht besser absagen sollte.
Ausgerechnet Verteidigungsminister Barak sprach sich gegen ein Übermaß an Vorsicht aus und forderte seine Mitbürger zum Spaßhaben auf: „Es ist wichtig, dass Israelis weiterhin durch die Welt reisen und ihr normales Leben trotz allen Schmerzes weiterleben“, sagte Barak.