Fast vier Wochen nach Beginn des Gaza-Kriegs zeichnet sich ein Ende der israelischen Landoffensive in dem Palästinensergebiet ab. Die meisten Bodentruppen seien aus dem Gazastreifen bereits abgezogen worden, berichteten israelische Medien am Sonntag. Sie hätten Stellungen in grenznahen Aufmarschräumen in Israel bezogen. Ein im Gazastreifen zunächst als entführt gemeldeter Leutnant wurde nahe Tel Aviv unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt.
Ungeachtet des beginnenden Abzugs der Bodentruppen setzte die Armee am Sonntag ihre Angriffe gegen Ziele im Gazastreifen fort. Beim Beschuss einer UN-Schule nahe Rafah seien mindestens zehn Menschen getötet worden, teilte ein Sprecher des palästinensischen Gesundheitsministeriums mit. Eine israelische Armeesprecherin sagte, man prüfe den Vorfall. Israelische Truppen waren nach Medienberichten am Sonntag noch im Einsatz, um Tunnel der radikal-islamischen Hamas zu zerstören, mit deren Hilfe israelische Ortschaften überfallen werden können.
Widersprüche um toten Soldaten
Wie der Krieg abgeschlossen werden soll, war am Sonntag unklar. Israelische Politiker gaben laut Medien zu erkennen, dass sie an keiner formellen Waffenstillstandsvereinbarung mit der Hamas interessiert seien, die im Gazastreifen herrscht. Feindselige Akte der Militanten könnten auch künftig jederzeit mit Luftangriffen beantwortet werden, hieß es. Israel sah auch davon ab, eine Delegation zu Waffenruhe-Verhandlungen nach Kairo zu schicken.
In der ägyptischen Hauptstadt trafen am Wochenende Unterhändler der Palästinensischen Autonomiebehörde von Präsident Mahmud Abbas sowie der Hamas und ihrer Verbündeten ein. Die Weigerung Israels, nach Kairo zu kommen, folgte auf den Zusammenbruch einer humanitären Waffenruhe kurz nach ihrem Beginn am Freitag. Hamas-Kämpfer hatten israelische Soldaten bei Zerstörungsarbeiten an einem Tunnel angegriffen. Bei der Aktion in der Nähe von Rafah waren zwei israelische Soldaten getötet worden.
Zur Frage, was mit dem 23-jährigen Leutnant Hadar Goldin bei diesem Zwischenfall passierte, gibt es unterschiedliche Darstellungen beider Seiten. So gibt es widersprüchliche Berichte, ob er bei diesem Einsatz starb oder entführt und danach getötet wurde – und wenn ja von wem.
Der bewaffnete Arm der Hamas, die Al-Kassam-Brigaden, bestritt vehement, den Soldaten in seine Gewalt gebracht zu haben. „Wir haben den Kontakt zu den an dem Überfall beteiligten Kämpfern verloren, und wir vermuten, dass sie alle bei dem (nachfolgenden israelischen) Bombardement getötet wurden“, hieß es in einer Mitteilung.
Dabei sei wohl auch der Soldat ums Leben gekommen. Umstritten war auch der Zeitpunkt des Angriffs auf die Einheit des Leutnants. Die Kassam-Brigaden behaupteten, sie habe am Freitag vor Beginn der Waffenruhe stattgefunden. Das israelische Militär erklärte, sie habe sich anderthalb Stunden nach deren Beginn ereignet.
Der Chef der Hamas-Exilorganisation, Chaled Maschaal, bestritt, dass die Hamas die von den UN und den USA vermittelte Waffenruhe gebrochen habe. Seine Organisation habe die israelische Bedingung, wonach das Militär auch während der Waffenruhe gegen die Tunnel vorgehen kann, nie akzeptiert. „Wenn israelische Truppen im Gazastreifen bleiben und Tunnel zerstören, dann ist das eine Aggression“, sagte er am Samstag dem US-Nachrichtensender CNN.
Die israelische Armee hatte in der Nacht zum Sonntag mitgeteilt, eine Kommission unter Leitung des Chefrabbiners der Streitkräfte habe am späten Samstagabend festgestellt, dass Goldin tot sei.
Dem Begräbnis des 23-Jährigen wohnten am Sonntagabend in Kfar Saba bei Tel Aviv Tausende Menschen bei. Unter den Trauergästen war auch der israelische Verteidigungsminister Mosche Jaalon. Goldin war sein Großneffe, wie der Politiker gegenüber israelischen Medien bestätigte.
Nach dem Verschwinden des Soldaten hatte die israelische Armee im Raum Rafah eine mit massiver Feuerkraft unterstützte Suchaktion eingeleitet. Nach palästinensischen Angaben wurden dabei mehr als 100 Palästinenser getötet und 500 weitere verletzt, zumeist Zivilisten.
Die Vereinten Nationen warnen unterdessen vor einer humanitären Katastrophe im Gazastreifen. Die Zerstörung des einzigen E-Werks in der Küsten-Enklave und der Mangel an sauberem Wasser verschärfe die Flüchtlingssituation dramatisch.