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TUNIS/MADRID
Islamisten in Tunesien vor einer Niederlage
Beji Caid Essebsi
Foto: afp | Beji Caid Essebsi
lze
 |  aktualisiert: 27.10.2014 18:27 Uhr

Schlappe für die Islamisten im nordafrikanischen Tunesien: In den ersten regulären Parlaments- und Regierungswahlen zeichnet sich ein Sieg der nichtreligiösen Partei Nidaa Tounes ab. Ersten inoffiziellen Ergebnissen zufolge landeten die moderate islamistische Ennahda-Bewegung, die im seit 2011 regierenden tunesischen Übergangsparlament noch die Mehrheit hatte, auf dem zweiten Platz. Tunesien ist bisher das einzige Land, in dem die vor knapp vier Jahren begonnene arabische Revolution nicht ins politische Chaos, sondern zu einer – wenn auch noch wackeligen – Demokratisierung führte.

Nach den Prognosen tunesischer Medien erzielte die säkulare Nidaa-Partei, die erst vor zwei Jahren gegründet worden war, einen deutlichen Vorsprung gegenüber den Ennahda-Islamisten. Demzufolge könnte Nidaa zehn bis 20 Parlamentssitze mehr als Ennahda errungen haben.

Die tunesische Online-Nachrichtenseite „Tunisia Live“ veröffentlichte Teilergebnisse, wonach Nidaa mit 38 Prozent der Stimmen und 83 Sitzen vorne lag. Ennahda kam demzufolge auf etwa 31 Prozent und 68 Abgeordnete. Danach würde für eine Regierungsmehrheit eine Koalition der beiden großen Bewegungen oder ein Bündnis des Wahlsiegers mit kleineren Parteien notwendig werden. Im neuen Parlament werden insgesamt 217 Mandate vergeben.

Die staatliche Wahlkommission meldete, auf der Grundlage vorläufiger Berechnungen, eine Wahlbeteiligung von knapp 62 Prozent. In Tunesien leben elf Millionen Menschen, von denen etwa 7,5 Millionen theoretisch wahlberechtigt waren. Tatsächlich hatten sich aber nur etwas mehr als fünf Millionen Menschen ins Wahlregister, auf dessen Basis die Beteiligung kalkuliert wurde, eintragen lassen.

Der wahrscheinliche Wahlsieger Nidaa Tounes (Ruf Tunesiens) verkündete auf seiner Facebook-Seite: „Wir haben gewonnen.“ Der 87-jährige Nidaa-Vorsitzende Beji Caid Essebsi äußerte sich aber zunächst noch zurückhaltend und sprach nur von „positiven Anzeichen“. Der Politikveteran Essebsi, der bereits unter dem alten Regime des Diktators Zine el Abidine Ben Ali im Parlament saß, sieht seine Plattform vor allem als antireligiöse Gegenbewegung zu den Ennahda-Islamisten.

Essebsi macht Ennahda, welche bis Anfang 2014 Tunesiens Übergangsregierung anführte, für politische Gewalt und die Islamisierung der Gesellschaft verantwortlich. Wegen der großen Spannungen zwischen religiösen und weltlichen Strömungen in der Bevölkerung hatte Ennahda schließlich die Macht an eine überparteiliche Interimsregierung abgetreten.

Der 73-jährige Ennahda-Chef Rachid Ghannouchi, dessen Partei unter der Diktatur verboten war, zeigte sich kompromissbereit. „Wie auch immer die Wahl ausgeht: Das Wichtigste ist, dass Tunesien eine Regierung der nationalen Einheit bekommt.“ Ghannouchi hat sich bereits vor der Wahl zur Zusammenarbeit mit säkularen Parteien bereit erklärt, um die großen wirtschaftlichen Probleme und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen Tunesiens zu überwinden.

 
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