Die Warnung war klar und deutlich. „Wenn ihr nicht zum Ziel der Lastwagenbomben des Islamischen Staates werden wollt, dann haltet euch aus diesem Krieg raus“, erklärte die Dschihadisten-Miliz im Sommer an die Türkei gerichtet. Anlass war die damals getroffene Entscheidung Ankaras, die Luftwaffenbasis Incirlik für Luftangriffe der USA auf Stellungen der Extremisten in Syrien freizugeben. Nun sollen auch bald deutsche Soldaten und Tornado-Jets auf dem Stützpunkt am östlichen Stadtrand der Großstadt Adana nur rund hundert Kilometer von Syrien entfernt stationiert werden. Die USA nehmen die Gefahr von Anschlägen des IS in Incirlik ernst.
Die sechs deutschen Tornado-Aufklärungsflugzeuge sollen die amerikanischen Maschinen bei Einsätzen von Incirlik aus unterstützen. Derzeit sind 24 amerikanische Militärmaschinen und rund 900 US-Soldaten auf Incirlik stationiert. Demnächst könnten französische und britische Kampfjets hinzukommen. Auf einem Luftwaffenstützpunkt in der südosttürkischen Stadt Diyarbakir befinden sich weitere rund 300 US-Soldaten, die für Rettungseinsätze für abgeschossene Piloten in Syrien bereit gehalten werden.
Die Nähe zu den vom IS beherrschten Gebieten macht Incirlik zu einem wichtigen Ausgangspunkt für die westlichen Luftangriffe in Syrien: Nach dem Start sind die Kampfflugzeuge in etwa 15 Minuten über syrischem Gebiet. Von Incirlik aus haben US-Kampfjets und Drohnen seit dem Sommer unter anderem das IS-Hauptquartier in der syrischen Stadt Rakka angegriffen.
Die US-Kampfdrohne, die im November den berüchtigten IS-Mann „Jihadi John“ in Rakka tötete, startete laut Presseberichten ebenfalls von Incirlik aus.
Mit der Ansammlung westlicher Soldaten und Waffen in Incirlik wächst die potenzielle Gefährdung durch Vergeltungsschläge der IS-Extremisten. Die US-Soldaten auf dem Stützpunkt ziehen es jedenfalls vor, die stark gesicherte Basis überhaupt nicht mehr zu verlassen. Ein kürzlich erlassenes Ausgehverbot erbost türkische Ladeninhaber in der Nähe der Basis, die bisher von den Einkäufen der Amerikaner profitierten.
In der Gegend um den Stützpunkt sind IS-Anhänger bereits seit längerem aktiv. Adana gilt als Sammelpunkt für ausländische IS-Kämpfer auf dem Weg nach Syrien. Erst vor wenigen Wochen wurden zwei mutmaßliche IS-Anhänger festgenommen, die fast 40 Ausländer nach Syrien schleusen wollten.
Auch gezielte Drohungen gegen die westlichen Soldaten auf der Luftwaffenbasis wurden registriert. Laut Presseberichten stieß die Polizei auf Drohungen mit Selbstmordanschlägen, die auf IS-nahen Internetseiten und in sozialen Netzwerken verbreitet worden sein sollen.
Demnach gelten Ausländer in Einkaufszentren, Bars oder Restaurants in Adana als besonders gefährdet. Möglicherweise hängt das Ausgehverbot für die Amerikaner in Incirlik mit diesen Hinweisen zusammen.
Laut türkischen Presseberichten haben Deutschland und Frankreich bei der türkischen Regierung bereits um Nutzung von Incirlik gebeten. Das Außenministerium in Ankara und der türkische Generalstab sehen demnach keine Hindernisse für eine Stationierung der Flugzeuge und Soldaten der beiden europäischen Verbündeten.
Die französischen Militärs haben zudem logistische Unterstützung für den Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ von einem Seehafen in der Nähe von Adana aus beantragt. Die Kampfjets der „Charles de Gaulle“ sollen vom östlichen Mittelmeer aus an den Angriffen auf den IS teilnehmen.
Beim geplanten Bundeswehr-Einsatz gegen die Terrormiliz Islamischer Staat sollen die meisten Soldaten für die Aufklärung eingesetzt werden. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte am Mittwoch in einer Fragestunde des Bundestages, für die vorgesehenen Aufklärungsflüge der sechs „Tornados“ und die Satelliten-Aufklärung würden insgesamt zwischen 400 und 500 Soldaten benötigt. Die Zahl sei so hoch, weil auch die für die Auswertung der Bilder abgestellten Soldaten dazugehörten. Etwa 300 Bundeswehr-Angehörige sollen mit der Fregatte zum Schutz des französischen Flugzeugträgers entsandt werden.
Rund 150 weitere Soldaten werden laut von der Leyen für die Tankflugzeuge benötigt, die auch französische Kampfjets betanken sollen. Bis zu 50 Offiziere würden zu den Stäben in den Hauptquartieren der Anti-IS-Koalition entsandt.
Zusammengerechnet sind das 900 Soldaten. Damit ein gewisser Puffer für den Wechsel von Kontingenten bleibe, habe die Regierung eine Mandatsobergrenze von 1200 Soldaten beantragt, erklärte von der Leyen.
Unterdessen dringt der britische Premierminister David Cameron auf eine rasche Beteiligung der Royal Air Force an Luftangriffen auf die Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien. „Wir sollten nicht länger warten“, sagte er am Mittwoch im britischen Unterhaus. Großbritannien könne diese Aufgabe nicht den USA und Frankreich überlassen, sagte er zum Auftakt einer zehnstündigen Parlamentsdebatte. Von der IS-Hochburg Rakka seien Angriffe auf Briten und Großbritannien geplant worden. Das britische Parlament wollte noch am späten Mittwochabend über Luftangriffe abstimmen. Die Mehrheit für die Regierung gilt als sicher, nicht zuletzt, weil zahlreiche Labour-Abgeordnete Cameron unterstützen wollten. Laut BBC könnten britische Piloten bereits in Kürze mit Angriffen auf IS-Kämpfer in Syrien beginnen. Bisher bombardieren sie IS-Ziele im Irak.
Mit Informationen von dpa