Eng umschlungen und tief bewegt standen die beiden Frauen in der Altstadt von Dublin und starrten auf die Leinwand vor dem historischen Schloss. Darauf erschienen nach und nach die Auszählungsergebnisse des Referendums über die Homo-Ehe. Auf dem Platz schwenkten die Menschen Flaggen in Regenbogenfarben und streckten bunte Plakate in den Himmel, auf denen „gleichberechtigt“ oder „Danke, Irland“ geschrieben stand.
Irgendwann illustrierte eine eingefärbte Landkarte auf der Leinwand: Die Befürworter der Homo-Ehe haben den Volksentscheid gewonnen. Und auf dem Platz feierten Tausende Menschen dieses Resultat, das eine Zeitenwende einläutet. „Das bedeutet die Welt für mich“, sagte Claire, die immer wieder ungläubig auf das Ergebnis schielte. „Ich bin von nun an nicht weniger wert als alle anderen.“
Als weltweit erstes Land sprachen sich die Iren am Freitag mit einem Volksentscheid und nicht per Parlamentsbeschluss dafür aus, die Ehe zwischen Homosexuellen der Ehe zwischen Mann und Frau gleichzustellen. Die Wahlbeteiligung lag deutlich höher als bei früheren Referenden und das Ergebnis fiel eindeutiger aus, als selbst Anhänger der Ja-Kampagne erhofft hatten. Mehr als 1,2 Millionen Iren und damit etwa 62 Prozent der Stimmen sorgten dafür, dass nun der Artikel 41 der Verfassung geändert und künftig heißen wird: „Eine Ehe kann in Übereinstimmung mit dem Gesetz zwischen zwei Menschen ungeachtet ihres Geschlechts eingegangen werden.“
Dass die Homo-Ehe ausgerechnet im konservativen Irland eingeführt wird, hat symbolische Bedeutung über die Landesgrenzen hinaus. „Das ist eine soziale Revolution“, sagte Leo Varadkar, der irische Gesundheitsminister, der erst im Januar sein Coming-out gehabt hatte. Regierung und Opposition hatten unisono für die Verfassungsänderung geworben. Ministerpräsident Enda Kenny begrüßte denn auch den Ausgang des Referendums: „Mit dieser Wahl haben wir gezeigt, wer wir sind: ein großherziges, mitfühlendes, mutiges und freudvolles Volk.“
Noch vor 22 Jahren konnten Schwule und Lesben in Irland im Gefängnis landen, Homosexualität war in dem erzkatholischen Staat bis 1993 eine Straftat. Doch die Kirche verliert zunehmend an Autorität und kämpft um ihre Rechtfertigung, nachdem immer neue Skandale um Gewalt an Kindern und Jugendlichen sowie um Vergewaltigungen und sexuellen Missbrauch die Insel erschüttern. Ein Glaubwürdigkeitsproblem gibt es spätestens, seit bekannt wurde, dass Kardinal Erzbischof Sean Brady systematisch Sexualdelikte von Priestern in Kinderheimen verschleiert hat.
In den vergangenen Wochen hatten sich die katholischen Bischöfe gegen die rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare ausgesprochen. Nun musste die Kirche ihre Niederlage eingestehen.
Diarmuid Martin, Erzbischof von Dublin, sagte, das Ergebnis zeige, dass die Kirche „wieder eine Verbindung mit jungen Menschen herstellen müsse, um ihre traditionelle kulturelle Bedeutung und ihre moralische Autorität in Irland zurückzugewinnen“.
Rechte homosexueller Paare in Deutschland
Lesben und Schwulen ist in Deutschland bisher keine gleichgeschlechtliche Eheschließung erlaubt. Hierzulande gibt es seit 2001 die eingetragene Lebenspartnerschaft – damit ist allerdings nicht die volle Gleichstellung mit der Ehe verbunden.
Unterschiede zur Ehe gibt es etwa beim Adoptionsrecht. Zwar dürfen Homosexuelle in einer Lebenspartnerschaft auch Adoptivkinder des Partners adoptieren. Nach wie vor gibt es aber keine gleichen Rechte bei der gemeinsamen Adoption eines Kindes.
Seit 2013 gilt das Ehegattensplitting – nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts – auch für eingetragene Lebenspartnerschaften. Text: dpa