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DUBLIN
Iren kippen Abtreibungsverbot
Abtreibungsreferendum in Irland       -  Freude vor dem Dublin Castle über das Ja beim Referendum zur Lockerung des Abtreibungsverbots
Foto: Niall Carson, dpa | Freude vor dem Dublin Castle über das Ja beim Referendum zur Lockerung des Abtreibungsverbots
Von den dpa-Korrespondenten C. Meyer und D. Sternberg
 |  aktualisiert: 02.04.2019 09:59 Uhr

Sie sangen, jubelten und tanzten: Tausende Menschen haben am Wochenende in Irland den Sieg des Ja-Lagers im Referendum um eine Lockerung des Abtreibungsverbots gefeiert. Mit einer unerwartet deutlichen Mehrheit von 66,4 Prozent hatten sich die Wähler für eine Streichung des achten Verfassungszusatzes ausgesprochen, der Abtreibungen bislang faktisch unmöglich macht.

Für das stark katholisch geprägte Land ist das eine Zeitenwende, die jedoch nicht ganz überraschend kommt: Irland hatte schon im Mai 2015 als erstes Land der Welt per Volksentscheid die Homo-Ehe zugelassen.

Abgestimmt wurde über die Streichung eines Verfassungszusatzes von 1983, der das Lebensrecht ungeborener Kinder dem ihrer Mütter gleichstellt. Wer gegen das Abtreibungsverbot verstößt, kann mit bis zu 14 Jahren Gefängnis bestraft werden. Selbst nach einer Vergewaltigung, Inzest oder bei einem kranken Fötus ist in Irland ein Schwangerschaftsabbruch untersagt. Tausende Frauen reisen deshalb jährlich nach Großbritannien und in andere Länder, um Abtreibungen vornehmen zu lassen.

Bereits in dieser Woche soll das irische Kabinett über einen Gesetzentwurf beraten, der Schwangerschaftsabbrüche künftig bis zur zwölften Woche erlaubt, bei Gefahr für Leben oder Gesundheit der Mutter auch darüber hinaus. Bis Ende des Jahres soll das Gesetz dann vom Parlament verabschiedet werden.

„Eine stille Revolution hat stattgefunden, ein großartiger Akt von Demokratie“, twitterte der irische Premierminister Leo Varadkar. Die Bürger hätten deutlich gemacht, „dass sie eine moderne Verfassung für ein modernes Land wollen“. Die Abstimmung zeige, dass die Menschen in Irland den betroffenen Frauen trauen und sie in ihrer Entscheidungsfreiheit respektieren, sagte Varadkar dem TV-Sender RTE.

Oppositionsführer Micheal Martin von der Partei Fianna Fail sprach vom „Anbruch einer neuen Zeit“. Seine Partei werde sich dem Willen des Volkes nicht entgegenstellen, sagte Martin dem irischen „Independent“ zufolge. Anders als ihr Parteichef hatte eine Mehrheit der Fianna-Fail-Abgeordneten für ein Nein bei der Volksabstimmung geworben.

Die Gegner einer Gesetzeslockerung bedauerten den Ausgang des Referendums. Als eine „Tragödie historischen Ausmaßes“ bezeichnete die Gruppe mit dem Namen „Save the 8th“ das Ergebnis. „Unrecht wird nicht deshalb zu Recht, nur weil eine Mehrheit es unterstützt“, teilte die Gruppe mit. Man werde jegliche Gesetze ablehnen, die zuließen, „dass Babys in unserem Land getötet werden“. Cora Sherlock von der Gruppe Love Both sagte: „Ich denke, es ist ein sehr trauriger Tag für Irland.“

Der katholische Erzbischof von Dublin, Diarmuid Martin, der zu einem Nein im Referendum aufgerufen hatte, klagte angesichts des Ausgangs über eine zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber der Kirche in Irland und rief zur Erneuerung auf. Die Kirche lasse in den Augen vieler Menschen Mitgefühl vermissen, sie müsse sich daher auf ihre Wurzeln besinnen, sagte Martin.

An der Volksabstimmung hatten etwa 2,1 Millionen Menschen teilgenommen, das entspricht einer Wahlbeteiligung von 64,1 Prozent. Das Referendum hatte am Freitag stattgefunden, ausgezählt wurde am Samstag. Vor dem Referendum hatte es eine erbitterte Debatte gegeben. Wachgerüttelt hatte die Iren der Tod der jungen Zahnärztin Savita Halappanavar aus Indien im Jahr 2012. Der 31 Jahre alten Schwangeren war eine Abtreibung in einem irischen Krankenhaus verweigert worden, obwohl ihr Baby nach Komplikationen in der 17. Schwangerschaftswoche keine Überlebenschance hatte. Sie starb wenige Tage, nachdem sie ein totes Kind zur Welt gebracht hatte, an einer Blutvergiftung. Ihr Porträt wurde zum Gesicht der Ja-Kampagne.

In der Republik wird nun gefeiert, während auf der anderen Seite der Grenze in Nordirland das strikte Abtreibungsverbot weiterhin besteht. Als 1967 in England, Wales und Schottland Schwangerschaftsabbrüche legalisiert wurden, ignorierte die Regionalregierung in dem nördlichen Landesteil das Gesetz.

Mit Informationen von byl

 
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