Revolutionsführer Ali Khamenei gab der Teheraner Delegation wenig Ermutigendes mit auf den Weg. „Die Gespräche werden zu nichts führen“, erklärte der mächtigste Mann des Iran, auch wenn er betonte, er werde die Atomverhandlungen in Wien mit der 5+1 Gruppe nicht blockieren. Khamenei hält sich alle Optionen offen. Scheitern die brisanten Gespräche, kann er sich daheim als der beste Kenner von ausländischer Hinterhältigkeit präsentieren. Gelingt der geschichtsträchtige Kompromiss, kann er sich in der Popularität seiner Unterhändler mitsonnen. So lastet der Druck vor allem auf Außenminister Mohammad Javad Zarif und seinem Chef, dem im Juni gewählten Präsidenten Hassan Rouhani.
„Wir haben den politischen Willen für ein endgültiges Abkommen“, erklärte Zarif bei seiner Ankunft in Österreich. Denn beide Politiker brauchen den Erfolg, um die Sanktionen abzuschütteln, die am Boden liegende Wirtschaft zu beleben und die Freiheitswünsche der Iraner zu bedienen. Entspannung nach außen erlaubt Lockerung nach innen, mit diesem Programm hatte es Rouhani im Sommer 2013 auf Anhieb und mit absoluter Mehrheit auf den Präsidentensessel geschafft.
Konservative machen mobil
Doch auch seine Gegner machen mobil, allen voran das konservative Establishment von Militär und Revolutionären Garden. Sie haben von den Sanktionen bestens profitiert und wollen am liebsten, dass die Konfrontation weitergeht. Ausgerechnet nach der Wahl Rouhanis weiteten die Basij-Milizen ihre Häuserrazzien gegen Satellitenschüsseln erheblich aus, sehr zum Unmut der Bevölkerung. Im Norden des Irans nahmen empörte Bürgerwehren deren Rollkommandos mit Stöcken in Empfang und schlugen sie in die Flucht. In Isfahan, der zweitgrößten Stadt des Landes, kam es kürzlich zu einer Großdemonstration, bei der auch Autos der Revolutionären Garden in Flammen aufgingen.
Lange Liste der Streitpunkte
Die Liste der Atomstreitpunkte ist lang, wenn auch nicht unlösbar. Die internationale Staatengemeinschaft ist offenbar bereit, dem Iran die schwache Anreicherung von Uran bis zu 3,5 Prozent zuzugestehen, falls die Islamische Republik die Zahl ihrer 19 000 Zentrifugen reduziert und ihre zweite, unterirdische Anreicherungsanlage in Fodor schließt. Das bereits auf 20 Prozent angereicherte Material, das mit geringem Aufwand bombenfertig gemacht werden könnte, soll bis zum 19. April verdünnt oder in so genannte Yellowcakes umoxidiert werden, die als Atomsprengstoff ungeeignet sind. Im Gegenzug kann der Iran aus dem Ausland komplette Brennstäbe für seinen medizinischen Forschungsreaktor in Teheran geliefert bekommen. Der noch unfertige Schwerwasserreaktor in Arak, der den Bombenstoff Plutonium erbrüten kann, sollte nach den Vorstellungen der 5+1 Seite in einen Leichtwasserreaktor wie in Bushehr umgerüstet werden, der vor gut zwei Jahren ans Netz ging und praktisch kein Plutonium erzeugen kann.
Teheran braucht Geld
Umgekehrt braucht der Iran dringend seine im Ausland eingefrorenen Ölerlöse, die sich auf etwa 100 Milliarden Dollar belaufen. Sieben Milliarden wurden nach dem Moratorium von Genf freigegeben, nach einem Kompromiss in Wien könnte der Rest in raschen Schritten folgen.
Wirtschaftskonzerne aus aller Herren Länder stehen bereits in den Startlöchern. Die gesamte Ölindustrie des Irans ist seit 1979 nicht mehr grundlegend modernisiert worden. Seine zivile Luftfahrt benötigt mindestens 50 neue Flugzeuge. Die Hälfte der 20 Millionen Autos ist mehr als 25 Jahre alt. Im Prinzip muss alles erneuert werden, meinte unlängst ein westlicher Wirtschaftsexperte in Teheran und nannte Iran „den dicksten Braten auf dem Teller der Weltwirtschaft“.