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FRANKFURT
Iran boykottiert Frankfurter Buchmesse
Martin Gehlen
 |  aktualisiert: 17.10.2015 03:43 Uhr

27 Jahre nach der Veröffentlichung der „Satanischen Verse“ von Salman Rushdie droht der Konflikt um das Buch erneut zu entfachen. In einer spektakulären Geste kündigte der Iran am Donnerstag an, die diesjährige Frankfurter Buchmesse zu boykottieren, weil Rushdie die Rede auf der Eröffnungspressekonferenz halten soll.

„Dies überschreitet die roten Linien unseres Systems“, so Vizekulturminister Abbas Salehi, der wohl die Rückendeckung von Revolutionsführer Ali Khamenei hat. Den Veranstaltern warf Salehi vor, sie hätten die Meinungsfreiheit als Motto gewählt und dann jemanden eingeladen, „der unseren Glauben beleidigt“.

Gewichtige Stimme

Buchmessen-Direktor Juergen Boos dagegen verteidigte den geplanten Auftritt Rushdies. „Seine Biografie und sein literarisches Werk verleihen ihm eine gewichtige Stimme in der weltweiten Diskussion über Meinungsfreiheit im Publizieren“, erklärte er. In seinem neuen Buch „Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte“ befasst sich der 1947 geborene Schriftsteller erneut mit religiösem Fanatismus und der Frage, was das Geschichtenerzählen dagegen ausrichten kann.

Irans früherer Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Khomeini hatte 1989 wegen der „Satanischen Verse“ zum Mord an dem indisch-britischen Autor aufgerufen, der danach jahrelang an geheimen Orten und unter Polizeischutz leben musste. Erst 1998 nach der Wahl des reformoffenen Präsidenten Mohamed Khatami wurde der Skandal politisch aus der Welt geschafft, das religiöse Verdikt jedoch nicht für nichtig erklärt. Und so bekräftigte Vizekulturminister Salehi erneut die Gültigkeit der Khomeini-Fatwa und erklärte, sie „spiegelt unsere Religion wider und wird niemals verschwinden“. Im vergangenen Jahr nahmen 282 iranische Verlage an der Buchmesse teil. Gastland der Bücherschau ist diesmal Indonesien, das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt.

Anders als der wortführende Vizekulturminister jedoch schweigt sich die Regierungsspitze der Islamischen Republik, Präsident Hassan Rowhani und Außenminister Mohammad Javad Zarif, bisher aus. Rowhani hatte im Juni 2013 auf Anhieb die absolute Mehrheit errungen, weil er versprach, den Iran aus seiner internationalen Isolierung herauszuführen und eine Grundrechtscharta für alle Bürger einzuführen. Erst kürzlich unterstrich der gelernte Kleriker erneut, sein Land wolle nach den erfolgreichen Atomgesprächen beginnen, „ein Klima der Freundschaft und Kooperation mit verschiedenen Ländern zu schaffen“.

Kulturminister schweigt

Auffällig ist auch das Schweigen des eigentlich zuständigen Kulturministers Ali Jannati. Der 66-Jährige ist der Sohn des ultrakonservativen Wächterratschefs Ahmed Jannati und vertritt ausgesprochen liberale Ansichten. So wurden unter seiner Regie wieder Konzerte, Modeschauen und Kabarettveranstaltungen zugelassen. Bisweilen meldet er sich mit bissiger Kritik an den Windmühlenkämpfen der Konservativen gegen die globale Medienwelt zu Wort. Früher hätten sie das Faxen verteufelt, dann das Filmen, heute Twitter und Facebook. „Kultur braucht Offenheit, wenn sie Bewegung und Kreativität schaffen soll“, erklärte er 2014 im Gespräch mit einheimischen Wirtschaftsvertretern. In einem hermetischen Milieu könne aber keine Kultur gedeihen.

 
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