
Es ist kein gutes Jubiläum. Einer aktuellen Studie zufolge sind im Irak-Krieg 190 000 Menschen ums Leben gekommen, mit Veteranennachsorge wird er die USA 2,2 Billionen Dollar kosten.
Das Ergebnis ist mager: Den eigentlichen Kriegsgrund, Massenvernichtungswaffen des Diktators Saddam Hussein, gab es genauso wenig wie Verbindungen zur Terrororganisation El Kaida. Weil US-amerikanische Investitionshilfen vor allem in Sicherheitsmaßnahmen geflossen sind, blieben Infrastrukturverbesserungen weit hinter den Erwartungen zurück. Die Gewalt im Land kostet nach wie vor täglich Leben.
Und unter der demokratischen Form, die Premierminister Nouri al-Maliki wahrt, nimmt ein neues Unterdrückungsregime gegen Kurden und Sunniten Gestalt an. Längst steht seine Regierung näher beim Iran als bei den USA. Teherans Hilfslieferungen an Syriens Machthaber Baschar al-Assad erfolgen durch irakischen Luftraum.
„Ich würde es
sofort wieder tun.“
Wer allerdings meint, an dieser Bilanz gebe es nichts zu deuteln, irrt: Zum Jahrestag des Angriffs auf Bagdad wird in den USA erbittert um Deutungshoheit gerungen. Fast überall wird der Krieg als Desaster gesehen, bis hin zu Vergleichen mit dem schmachvollen Abzug aus Vietnam. Aber wer ist schuld?
Oft wird erwähnt, dass der Einsatz die eigentliche Anti-Terror-Mission in Afghanistan geschwächt und das Ansehen der USA ramponiert habe – Argumente, die 2008 Barack Obama zur Präsidentschaft verhalfen. Nicht alle gehen so weit wie Paul Krugman, der in der „New York Times“ behauptet, die damalige Regierung Bush habe das Land „absichtlich getäuscht“. Aber seine Meinung ist auch nicht selten. Ein neuer Film über Bushs Vizepräsidenten Dick Cheney vertritt die These, es sei Cheney gewesen, der nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 das Kommando an sich gerissen und den unerfahrenen Präsidenten im Dunkeln gelassen habe. Bushs Memoiren und der spätere Bruch zwischen den beiden scheinen die Annahme zu stützen.
Cheney hat zum Irak-Krieg wissen lassen: „Ich würde es sofort wieder tun.“ Auch für andere Konservative wurde der eigentliche Verrat von Obama begangen. Aktuellstes Beispiel ist ein Kommentar des Publizisten Fouad Ajami im „Wall Street Journal“ unter der Überschrift „Vor zehn Jahren begann mit breiter Unterstützung ein ehrenwerter Krieg“. In dieser Lesart macht es keinen Unterschied, ob der Terror im Irak von El Kaida oder von säkularen Gruppen ausging. Auch ohne Massenvernichtungswaffen habe der angefangene Einsatz die Möglichkeit geboten, im Herzen der arabischen Welt eine demokratische Gesellschaft zu errichten. Dass die Opfer der USA nun so wenig Früchte zeitigen, sei das Ergebnis des übereilten Rückzugs durch Obama.
Im Vorfeld des Irak-Kriegs haben nicht nur die Geheimdienste versagt, auch Militär und Politiker verkalkulierten sich schwer. Sie hatten mit einem kurzen Einsatz gerechnet und rund ein Viertel der tatsächlichen Kosten veranschlagt. George W. Bushs verfrühter Triumphauftritt unter dem Banner „Mission Accomplished“, den er am 1. Mai 2003 auf einem Flugzeugträger absolvierte, wurde zum Inbegriff verblendeter Überheblichkeit. Beim Kampf um die nachträgliche Bewertung geht es nicht zuletzt um Gesichtswahrung.
Zu den interessanten Aspekten der Diskussion gehört aber auch die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass der Krieg anfangs tatsächlich sehr breite Unterstützung erfuhr. Skeptiker hat es gegeben. Aber auch die seriösen Medien des Landes waren unter dem Schock von 9/11 einer Autoritätsgläubigkeit verfallen, die der Berichterstattung schadete. Die meisten haben sich bemüht, daraus Konsequenzen zu ziehen.
Über 60 Tote bei Anschlägen
Zehn Jahre nach dem Beginn des Irak-Krieges sind am Dienstag bei einer Anschlagsserie in Bagdad und anderen Städten mindestens 60 Menschen getötet worden. Zudem seien bei den Attentaten mehr als 170 Menschen verletzt worden, teilten die Behörden mit. Angesichts der instabilen Lage beschloss die Regierung, die für April geplanten Wahlen in zwei Provinzen zu verschieben. Insgesamt ereigneten sich nach Angaben der Behörden am Dienstag 15 Autobomben-Explosionen, ein Anschlag mit Hilfe eines improvisierten Sprengsatzes und mehrere gezielte Mordanschläge. Die Angriffe richteten sich vor allem gegen Schiiten. TEXT: afp